Oh Triglav, mein Zuhause: Gipfeltour auf Sloweniens König

Bled (dpa/tmn) - Tomaz Novak hebt das Seil, „im Namen von Aljaz“, ein Klatsch auf den Hintern, „im Namen von Gott“, wieder klatsch, „und im Namen von mir“, der dritte Klaps. „Jetzt bist du ein echter Slowene!

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“ So schnell geht die Einbürgerung nur hier oben, am Gipfel des Triglav auf 2864 Metern Höhe.

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Der Dreiköpfige ist der Nationalberg Sloweniens, und kaum ein anderer der vielen heiligen Berge in Europa wird mehr verehrt. Die Slowenen haben den stilisierten Triglav auf Wappen und Fahne ihres Landes gedruckt. Und spätestens seit dem Zweiten Weltkrieg pilgern sie in Massen auf den Gipfel, wo 1944 Partisanen den Grenzstein zwischen Italien und Deutschland zerschlugen und die slowenische Fahne hissten, genauso wie später die Unabhängigkeitskämpfer am 26. Juni 1991.

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„Gestern waren die Veteranen da“, erzählt Tomaz Novak. „Manche sind eine Woche von der Küste her gewandert. So wie jedes Jahr.“ Novak wundert sich über nichts mehr hier oben. Der 38-Jährige im roten Overall und Sonnenhut verkauft seit 15 Jahren Bier und Limonade auf dem Gipfel. Er hat einen Einbeinigen gesehen, der sich den Klettersteig hoch wuchtete, und eine Wandergruppe, die die Teile eines Mopeds herauf trug, zusammenbaute und den Motor startete.

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All die lustigen Anekdoten, die Popularisierung und die Events haben allerdings auch eine problematische Seite. „Die Leute unterschätzen den Triglav“, sagt Matevz Vukotic. „Selbst Menschen, die in ihrem Leben nur eine Woche gewandert sind, versuchen, ihn zu besteigen.“ Vukotic ist kein fader Bedenkenträger. Der Bergführer, mit 26 Jahren der jüngste in Slowenien, bezwang mit 15 Jahren die berüchtigte Sphinx, einen überhängenden Felsen in der Nordwand. Aber als die Tour im Tal beginnt, sagt er: „Langsam. Es ist ein weiter Weg.“

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Es gibt viele Routen auf den Gipfel, die kürzeste beginnt im Krma-Tal, die beliebteste im Vrata-Tal. Aber der schönste Aufstieg ist zugleich der längste: durch das Sieben-Seen-Tal. Der Weg beginnt am Savica-Wasserfall. Die erste Hütte hat einen Logenplatz, über einem Zwillingssee, unter einer Felswand. Erstaunlicherweise sind in der Sieben-Seen-Hütte an diesem Freitagabend noch Betten frei. Und die Kombination aus Radler und Terrasse mit Aussicht bricht jeden Willen. Am Morgen sieht man aus dem Fenster die Berge glühen.

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Durch Latschenkiefern geht es weiter, bald weitet sich das Tal. In einer Senke liegt der Große See, ein Fotomotiv für jeden Kalender. Bisher konnte man sich nicht verlaufen, aber am vorerst letzten See gabelt sich der Weg. Ein paar einheimische Wanderer erklären die schönste Route zum Gipfel. „Über die Dolic-Hütte“, sagen sie einhellig. Ein guter Rat. Denn kurz darauf kreuzen hinter einem Felsblock zwei Steinböcke die Hörner, vielleicht 20 Meter entfernt, und über ihnen fläzen sich sieben andere. Wanderer scheinen sie nicht sonderlich zu stören. Wieder und wieder bäumen sich die Böcke auf ihren Hinterläufen auf und rasseln mit den Schädeln zusammen.

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Die Dolic-Hütte liegt auf einem Bergsattel, dahinter stürzt das grüne Trenta-Tal in die Tiefe. Es ist Mittag, kurze Pause, trinken, sonnen. Mit Fernblick auf den von keiner Skipiste, keiner Alm zerschnittenen Urwald geht es den Schotterweg in Serpentinen bergan. Es dauert nicht lange, bis sich König Triglav das erste Mal in vollem Ornat zeigt.

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1778 gelang es vier Männern aus dem Bohinj-Tal zum ersten Mal, dort hinauf zu klettern. Sie balancierten auf einem schmalen Grat, der mittlerweile längst abgesprengt und abgeflacht ist. Schon 1895 betonierte Jakob Aljaz am gefährlichsten Abschnitt ein Stahlseil in die Felsen - jener Priester, der seinen Gläubigen die Vergebung aller Sünden versprach, wenn sie Holz auf den Berg Kredarica schleppen würden. Mit dem Holz baute Aljaz das Triglavhaus, heute mit 340 Betten die größte Berghütte Sloweniens. An Sommerwochenenden tragen manchmal Musiker ihre Instrumente zur Hütte, und abends singen alle selig „Oh Triglav, mein Zuhause“. Wer danach kein Bett findet, schläft auf den Bänken, den Tischen und dem Boden.

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Vom Triglavhaus führt der Haupt-Klettersteig zum Gipfel. Wer über die Dolic-Hütte kommt, steht aber auf der anderen Seite des Gipfels. Und die Via Ferrata aus dem Südwesten gilt als knifflig. Zu Recht. Nur Eisenstifte erleichtern das Kraxeln. Trotzdem geht es schneller voran, als man im Geröllhang am Fuße der Felswand dachte. Bald leuchten die bunten Plastikhemden der anderen Gipfelstürmer durch den Nebel. Und über ihnen steht, wenig majestätisch, die graue Blechdose, die für Slowenen fast ein Heiligtum ist.

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Gebaut hat sie, natürlich, Jakob Aljaz. Als die Bergsteiger des deutsch-österreichischen Alpenvereins Ende des 19. Jahrhunderts begannen, auch in Slowenien Hütten zu bauen, kaufte der Priester 16 Quadratmeter am Gipfel. Und stellte das runde Türmchen drauf. Ein Akt patriotischer Subversion gegen die herrschenden Habsburger, der den Triglav zum Symbol für die Unabhängigkeit Sloweniens machte. Ein Gipfelbier konnten die ersten Besucher der Nationaldose damals freilich nicht kaufen. Und dass der fromme Aljaz ihnen mit einem Seil den Hintern gerbte, scheint sehr zweifelhaft. Tomaz Novak ist es einerlei. Und der nächste Möchtegernslowene ist schnell gefunden.