Perle zwischen Meer und Wüste

Sir Bani Yas Island liegt vor der Küste und lockt mit Traumstränden und einem skurrilen Naturpark.

Foto: Daniela Kebel

Sand, Sand, Sand — soweit das Auge reicht, seit Stunden. Mal gelb, mal rötlich. Aufgetürmt zu gigantischen Dünen — wie regungslose Wellen eines goldglänzenden Meers. Still, friedlich und gefährlich, genau das ist der Reiz dieser größten zusammenhängenden Sandwüste der Welt, der Rub al Khali. Sie ist einzigartig und mystisch, der ideale Ort für Märchen aus 1001 Nacht.

Die vierspurige asphaltierte Schnellstraße führt mitten hindurch: aus der Stadt heraus Richtung Westen, hunderte Kilometer an der Küste entlang. Durch die Region Al Gharbia, „der Ort, an dem Wüste und Meer sich treffen“. Flache Zäune rechts und links neben der Fahrbahn sollen freilebende Kamele und Dromedare hindern, auf die Straße zu laufen. Sie trotten gemütlich in kleinen Herden ihres Weges, beigefarbene, braune und schwarze Tiere — wie Schafe auf den Wiesen am Niederrhein. Jungtiere beeilen sich, mit kleinen, schnellen Schritten ihren Müttern zu folgen. Die schaukeln mit ihren langen Beinen völlig unaufgeregt im Passgang durch den Sand, ihre großen, weichen Hufe verhindern das Einsinken.

Abu Dhabi ist auf Sand gebaut, von Sand umgeben und plant im Sand seine neuen touristischen Projekte: Ist das Qasr al Sarab Hotel längst ein Selbstläufer am „empty quarter“, dem sogenannten leeren Viertel der Rub al Khali, geworden, baut die thailändische Luxushotelgruppe Anantara nun auf Sir Bani Yas Island weiter aus. Die größte der im Westen Abu Dhabis vorgelagerten Deserts Islands bietet nämlich einige Besonderheiten: Tiere, Natur und Kultur.

Etwa 40 Minuten dauert der Flug von Abu Dhabi City nach Sir Bani Yas, etwa 30 Minuten braucht ein Schnellboot vom Fähranleger in Jebel Dhanna, der knapp drei Autostunden Fahrt von Abu Dhabi City entfernt ist, auf die Insel. Auch dort ist überall Sand, Mangrovenwälder schützen die Strände an der Ostküste vor einem manchmal tatsächlich tobenden Persischen Golf. Im Inselinneren ist es hügelig. Staubige, steinige Pisten führen durch die felsige Landschaft. Eigentlich wächst hier nichts — doch Schritt für Schritt entsteht seit etwa 1970 etwas Neues: Sheikh Zayed hatte die Idee zu einer Art arabischen Arche.

Er ließ Bäume pflanzen und Tiere ansiedeln, und schuf so das heute größte Naturschutzgebiet Abu Dhabis. „Hier wachsen unsere eigenen Oliven“, sagt Mahmoud und zeigt aus dem offenen Geländewagen. Safari auf einer gerade einmal achtmal elf Kilometer großen Insel — wer hätte das gedacht. Diese Bäume sind an karge Bedingungen gewöhnt, tausende werden mit einem Schlauchsystem bewässert. Bilden sich Pfützen in der Regenzeit, bleiben später weiße Lachen auf dem getrockneten Boden zurück: Salz. Dennoch stehen mehr als 300 000 Obstbäume und rund 3,5 Millionen Mangroven auf und vor dem Eiland.

Guide Mahmoud lässt den Wagen langsam über die Piste rumpeln, vorbei an Olivenhainen und riesigen Wassertanks. Plötzlich steht ein schweres Tor im Weg: das Gate zum Naturpark der Insel. Seit 1971 hat Sheikh Zayed mehr als 60 000 Tiere hierher bringen lassen, angeblich zum Schutz der arabischen Arten. Jedoch sind die Tiere von überall her gekommen. „Viele waren Geschenke an den Scheich. Und Geschenke muss man doch annehmen“, erklärt Mahmoud und blickt erstaunt in die skeptischen Gesichter der Gäste.

Antilopen tummeln sich überall, vor allem Gazellen. Natürlich. Sie sind ja schließlich der Grund, weshalb es Abu Dhabi überhaupt gibt: Denn einst führten die Spuren der Gazellen einen Nomadenstamm zu einer Süßwasserquelle — dem Grundstein der heutigen Stadt Abu Dhabi, was übersetzt „Vater der Gazelle“ bedeutet. Im Naturpark gibt es zahlreiche Einzelgehege. „Zum Schutz der Tiere“, erklärt der Guide.

So laufen drei Geparden getrennt voneinander ihre Bahnen am Zaun entlang. Gegenüber stehen Elans auf einer Anhöhe, einen Futtertrog immer in der Nähe. Ein Stück entfernt grasen Gazellen auf einer sattgrünen Wiese — wie an vielen anderen Orten des Wüstenstaats, hat der Scheich es auch hier ernst gemeint mit dem Begrünen der Ödnis. Wie viel Wasser für Pflanzen, Tiere und die mittlerweile drei Hotels von Anantara auf dieser Insel am Tag verbraucht wird, bleibt ein Geheimnis. Es kommt per Pipeline vom Festland, und dort aus den Meerwasserentsalzungsanlagen. Über Wasser spricht man in dem reichen Emirat ebenso wenig wie über Geld.

Als die Sonne kurze Zeit später feuerrot am hellblauen Himmel zu sinken beginnt, schreiten vier Giraffen nur wenige Meter vom Geländewagen entfernt durch den Sand. Elegant und beinahe im Gleichschritt kümmern sie sich kaum um die Besucher, die verzückt von dieser Abendszene die Kameras klicken lassen. „Sie kommen aus Südafrika“, flüstert Mahmoud und holt die Safari-Fans damit schlagartig in die Wirklichkeit zurück: Ein Mini-Zoo mit importierten Tieren auf einer Wüsteninsel 250 Kilometer vor der Küste Abu Dhabis. Eine kleine Oase — wie es sich für eine richtige Wüste eben gehört.

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