Polen: Und über den Köpfen kreischen die Möwen
Naturliebhaber finden an der Ostseeküste ein kleines Paradies. Im Sommer kommen die Störche.
Kolberg. Naturliebhaber werden begeistert sein, wenn sie an die polnische Ostseeküste, vor allem nach Kolberg und Umgebung, fahren. So viele gepflegte, mit Blumen, Sträuchern und Bäumen bepflanzte Parks überall in der Stadt, und so wunderbare Wälder mit teilweise seltenen und uralten Bäumen sucht man andernorts vergeblich. Eine Sensation sind zwei Stieleichen mitten in der Stadt - die eine nachweislich 640 Jahre alt und mit einem Umfang von stattlichen 680Zentimetern.
Am elf Kilometer langen Strand in Kolberg, heute Kolobrzeg, wimmelt es von Möwen, Enten und Schwänen, die den Menschen aus der Hand fressen. Und zur Sommerzeit kommen rund 40000 Storch-Brutpaare nach Polen, die Hälfte der gesamten Weltpopulation. Die großen Sümpfe und die feuchten Wiesen ringsherum sorgen für ausreichend Nahrung beim Storchen-Nachwuchs. Es gibt sogar eine "Storchenroute" für Rad- und Fußwanderer.
Dank der heilkräftigen Moore rings um die Stadt, der reichen Solequellen und der jodhaltigen Luft lebt Kolberg mit 50000 Einwohnern heute fast nur vom Tourismus. Es gibt 52 Übernachtungsmöglichkeiten - von Feriensiedlungen, Luxushotels bis zu Campingplätzen, die mehr als 10000 Gäste aufnehmen können.
In den Sommermonaten herrscht Hochbetrieb am Strand. Scharen von Menschen wandern, entweder am Wasser entlang oder auf der Promenade vom Leuchtturm bis zum Musikpavillon. Der Leuchtturm, der anstelle des zerstörten von 1770 erst im Jahre 1945 gebaut wurde, gilt als Wahrzeichen für den Wiederaufbau der fast völlig zerstörten Stadt nach dem Zweiten Weltkrieg.
Vom Hafen fahren regelmäßig Dampfer und nachgebaute Piratenschiffe zu Kurztouren entlang der Küste. Einmal wöchentlich gibt es eine Schiffsverbindung nach Bornholm mit sechsstündigem Aufenthalt auf der Insel.
Jede Menge Angler versuchen im Hafen ihr Glück, noch mehr an dem Fluss Persante, der mitten durch die Stadt fließt, wo Lachsforellen, Seeforellen und Schwärme von Heringen, Brassen und Aalen gefangen werden.
An der Mündung der Persante gab es schon 1255 einen Hafen, der erst 1948 wieder eröffnet wurde - mit Handelshafen, Yachthafen und Fischereihafen. Gedenk- und Wahrzeichen im Kriegshafen ist eine Radaranlage auf einem alten Betonturm.
Nirgendwo sonst in Polen gibt es so viele Zebrastreifen und so viele bequeme Holzbänke in allen Parks und im Kurgebiet wie in Kolberg. Außerdem hat die Stadt mehr Denkmäler und Gedenksteine als fast alle anderen Städte. Eine Besonderheit ist das Denkmal zu Ehren aller Sanitäterinnen, die im Krieg gefallen sind. Modell für die Skulptur ist die Sanitäterin Ewelina, die einen verwundeten Soldaten 1945 vom Kampffeld geborgen hatte und dabei ihr Leben lassen musste.
Der Pulverturm erinnert an das mittelalterliche Verteidigungssystem. Das Postamt wurde 1884 im neogotischen Stil erbaut. Eins der imposantesten Gebäude sieht aus wie eine mittelalterliche Burg, mit Uhrturm und Glockenspiel. Im Keller blieb das gotische Gewölbe erhalten. Der Bau der grandiosen Kathedrale wurde schon im 13.Jahrhundert begonnen, 1400 als fünfschiffige Halle von 69Metern Länge beendet. Heute ist sie eine der größten gotischen Kirchen mit Platz für 7000 Menschen.
Im Jahr 1986 erhob der Papst die Kirche zur Basilika. Wertvolle alte Gemälde können nun wieder bewundert werden - außerdem ein siebenarmiger Leuchter, der schon im Siebenjährigen Krieg (1756-63) und während der napoleonischen Belagerung 1807 beschädigt worden war. Reich geschmücktes Ratsgestühl, zwei gotische Figuren und eine Pieta von 1470, ein gotisches Kruzifix und vier spätgotische Altäre lohnen allein schon den Besuch der Kirche.
Rings um Kolberg gibt es eine Fülle von uralten Dörfern und Städtchen: Treptow, eine Pracht von erhaltenen Gebäuden, Neuhof mit Gestüt und Pferdezucht, Triebs mit vielen Fachwerkhäusern, Kamp mit Kamper See. Die meisten sind heute Bade-Orte, aber noch nicht überlaufen wie Kolberg, wo ein Stand mit Souvenirs am anderen steht. Im Angebot sind Muscheln, Schmuck, Gemälde, Handarbeiten und jede Menge Textilien.
Die Preise beim polnischen Nachbarn liegen, vor allem in der Vor- und Nachsaison, erheblich unter denen in Deutschland.