Schon lange kein Butler mehr: Visite beim echten Downton Abbey

Newbury (dpa/tmn) - Das englische Schloss Highclere Castle ist Millionen Fernsehzuschauern vertraut - als Downton Abbey aus der gleichnamigen ZDF-Serie. Ein Besuch zeigt: Die Herrschaft gibt es wirklich, nicht aber die Diener.

Die grünen Hügel Englands heben und senken sich wie die Wogen des Meeres. Kein Mensch weit und breit, nur Schafe, so weit das Auge reicht. Und dann plötzlich der Ausruf: „Da ist es!“ Für Augenblicke kommen die Zinnen eines Turmes zum Vorschein. Zwei Wegbiegungen weiter steigt es endlich am Horizont empor wie aus einem Wellental: Downton Abbey. Welch ein Auftritt!

„Downton Abbey“ ist die zurzeit erfolgreichste britische Fernsehserie, ein weltweiter Exportschlager, der schon in über 100 Länder verkauft worden ist. In Deutschland läuft das Adelsepos im ZDF. In der Serie steht das Schloss in Nordengland, aber das ist ebenso wie der Name eine Erfindung des Drehbuchautors Julian Fellowes. In Wahrheit heißt Downton Abbey Highclere Castle und liegt südwestlich von London.

Das Schloss ist Stammsitz der Carnarvons, eines der ältesten englischen Adelsgeschlechter. Ein Ägyptisches Museum im Keller erinnert bis heute an den berühmtesten Vertreter der Sippe, den 5. Earl of Carnarvon. Er war es, der sein ganzes Vermögen in die Suche nach dem Grab des Tutanchamun im Tal der Könige steckte und am 27. November 1922 märchenhaft belohnt wurde.

Gut vernetzt sind die Carnarvons noch immer. Auf einer unscheinbaren Kommode steht ein kleines gerahmtes Foto, das die Familie mit Prinzessin Diana zeigt. Aber im Umgang mit der Außenwelt gibt man sich jetzt bürgerlich-jovial. Die Frau, die da in Gummistiefeln und Jeans über den Hof kommt, ist Mylady herself. Zerzauste Haare, offenes Lachen - keine Spur von spätfeudaler Distanz. Wenn im Schloss gefilmt wird oder wenn es zur Besichtigung freigegeben ist, lebt sie mit ihrem Mann, dem 8. Earl, in einem Anbau in der Nähe der Stallungen.

Dennoch ist das Schloss bis heute kein Museum, sondern ein Einfamilienhaus. Es umfasst ungefähr 300 Zimmer, ab und zu kommt noch eines dazu. So fand sich vor einiger Zeit hinter einem Schrank eine Geheimtür zu einem bis dahin unbekannten Treppenhaus.

Trotz dieser Ausmaße ist das Schloss deutlich kleiner, als es im Fernsehen scheint. Und noch ein anderer Eindruck drängt sich dem „Downton-Abbey“-Fan auf: Das Schloss wirkt ausgestorben! Wo ist der Butler, die Köchin, die Zofe? Die traurige Wahrheit ist: Die Parallelgesellschaft von downstairs hat sich schon vor langer Zeit aufgelöst - sie war unbezahlbar geworden. Die Bedienstetenräume einschließlich der Küche existieren nicht mehr - sie mussten für „Downton Abbey“ in Filmstudios nachgebaut werden.

Heute fließen alle Mittel in die Instandhaltung des riesigen Baus. Obwohl Highclere Castle viele Besucher anzieht und außerdem Hochzeiten und Konferenzen ausrichtet, ist doch nicht zu übersehen, dass auch die Carnarvons sparen müssen. Hier und da blättert die Farbe von den Fußleisten, die einfach verglasten Fenster werden nachts mit groben Holzpanelen zusätzlich abgedichtet.

Her Ladyship spürt wohl selbst, dass die Stille im Schloss etwas Trauriges hat. Ungefragt kommt sie darauf zu sprechen, wie anders es hier zugeht, wenn das Haus ausnahmsweise aus dem Dornröschenschlaf erwacht. „Wenn Gäste kommen, kann es hier wunderbar sein. Von oben hört man Schritte und Stimmen, und das Schönste ist, durch die Korridore zu laufen und überall Licht unter den Türen durchscheinen zu sehen. In solchen Momenten weiß ich: Highclere lebt wieder.“

Service:

Das Schloss ist nur an bestimmten Tagen im Sommerhalbjahr geöffnet und immer monatelang im voraus ausgebucht. Eintritt ab 11 Pfund (13 Euro). Die Anfahrt von London ist einfach: Man nimmt einen durchgehenden Zug von Paddington Station nach Newbury (Fahrtzeit 1 Stunde) und von dort ein Taxi zum Schloss.