Lohnenswerter Kreuzfahrt-Hafen Southampton hat mehr zu bieten als die Autobahn nach London
Southampton (dpa/tmn) - Wer mit dem Kreuzfahrt-Schiff nach Southampton kommt, entscheidet sich oft für den Ausflug nach London. Mit dem Shuttle-Bus geht es von der englischen Südküste zweieinhalb Stunden in die Hauptstadt - eng getaktet Hotspots abhaken und ein Selfie vor dem Buckingham Palast.
Das ist die eine Möglichkeit. Option Nummer zwei: in Southampton bleiben und auf eigene Faust losziehen. Zum Beispiel auf der nach dem berühmten Schiff „Queen Elizabeth II“ benannten „QE2 Mile“ mit schönen alten Fachwerkhäusern, die in Hafennähe beginnt und in die Fußgängerzone übergeht.
Die Stadt, die einst vom Schiffsbau lebte, ist architektonisch gesehen ein charmantes Nebeneinander von exzentrischem Design und glanzvoller Kreuzfahrthistorie. Ragt hier das gerade fertiggestellte, gläserne „Harbour Hotel“ wie eine überdimensional große Luxusjacht in das neue Hafenviertel „Ocean Village“ - steht um die Ecke an der Canute Road eine Backsteinvilla. Sie beherbergte früher den Sitz der Reederei „White Star Line“. Dort heuerten im Frühjahr 1912 Offiziere, Heizer und Schiffsjungen für die Jungfernreise der „Titanic“ an, berichtet der Historiker Jake Simpkin auf einem Stadtspaziergang.
„Man kann hier an jeder Ecke Geschichte erleben - eine Kirche aus dem elften Jahrhundert, einen Pub von 1220.“ Das hat für den US-Amerikaner Dan Umfleet und seine indische Frau Dishi den Ausschlag gegeben, sich ausgerechnet in Southampton niederzulassen. Beide wollten ihren Berater-Job an den Nagel hängen und hatten genug Enthusiasmus, wenige Schritte vom historischen Seefahrerheim entfernt ein winziges Kaffeehaus zu eröffnen: das inzwischen als bestes in ganz Hampshire ausgezeichnete „The Docks Coffee House“.
Die gotische Pfarrkirche St. Michael von 1070 ist einen kurzen Spaziergang entfernt in der Altstadt zu finden - wie auch der sehenswerte Pub „Duke of Wellington“ in einem historischen Fachwerkbau an der Ecke Bugle Street/Vyse Lane. Als ein gutes „Real Ale“ empfehlen Victor und Lynn Taylor - wortkarger Wirt der eine, warmherzige Wirtin die andere - einhellig das in Southampton gebraute „Swordfish“. Eine dazu bestellte, äußerst schmackhafte Portion Fish & Chips ist eine gute Grundlage für weitere Aktivitäten.
Am Rande der Altstadt führt die High Street zum alten Stadttor, dem von den Normannen erbauten „Bargate“, und zu den begehbaren Resten von dem, was von der mittelalterlichen Stadtmauer und ihren Türmen nach der Bombardierung der Stadt während des Zweiten Weltkriegs stehenblieb. Von oben schauen die Gäste heute bis hinüber zu einem der vier Terminals, wo die Kreuzfahrtschiffe festmachen. Insgesamt verzeichnet Southampton mehr als 1,7 Millionen Passagiere im Jahr.
Wem das zu viel Trubel ist, der setzt mit einer kleinen Fähre in 20 Minuten nach Hythe am Rande des New Forest über - was sich schon wegen der historischen Kleinbahn „Hythe Pier Train“ mit den original erhaltenen Waggons von 1881 lohnt, die vom Fähranleger bis ins Stadtzentrum verkehrt. In Hythe starten verschiedene Busse in den Nationalpark New Forest mit alten Eichen, Mooren und Heidekrautfeldern, südwestlich von Southampton. Mitunter müssen die Fahrer unterwegs den Fuß vom Gaspedal nehmen: Wilde Ponys haben hier Vorrang.