Urlaub auf Juist: Staunen im „Zauberland“
Pferdegetrappel sorgt für den „Insel-Sound“. 17 Kilometer langer, weißer Sandstrand.
Juist. „Moin. Zwei Koffer? Gut. Gehen Sie 200 Meter, dann zweite Gasse rechts und weiter durch. Da ist unser Hotel.“ Der Mann steigt vom Fahrrad und bugsiert das Gästegepäck auf einen Anhänger. Er trägt eine Dienstmannkappe mit dem Schriftzug „Achterdiek“. Da wollen wir hin. Ohne Gepäck, locker zu Fuß — die Ostfriesische Insel Juist ist autofrei.
Die Juister wollten nie ein lärmendes, zweites Norderney werden und haben es verstanden, ihre dörfliche Idylle zu bewahren. So gibt es auf der Insel auch schmucke alte Friesenhäuser mit grünen Wintergärten, grünen Türen, grünen Fensterläden und grünen Zäunen. Linden, Ulmen und Kastanien spenden den Urlaubern in den Cafés und Teestuben, an denen das muntere Inselleben vorbei zieht, im Nordseesommer wohltuenden Schatten. Ein Augenschmaus ist das „Lütje Teehuus“, versteckt im kleinen Januspark. Die Kluntjes knacken im starken Ostfriesentee, die Törtchen schmecken herrlich.
Zu jeder Jahreszeit führen alle Routen an einen atemberaubenden Strand: 17 Kilometer lang und nur 500 Meter schlank ist diese Sandbank, vom Billriff an der Südspitze bis zum Kalfamer im Norden. Er bildet den weißen, feinen Rahmen ums „Töwerland“, ums „Zauberland“, wie die Einheimischen und 110 000 Gäste im Jahr ihre geliebte Insel nennen. Für den wohlklingenden „Juister Sound“ sorgen die Kutschpferde mit ihrem Getrappel auf dem Kopfsteinpflaster.
Die schmale Nordsee-Insel liegt ganz nah am Festland — und ist doch fern von dieser Welt. Nur ein oder zwei Mal am Tag kommt und geht die Fähre, immer zu anderen Zeiten. Der Hafen in Norddeich ist nur acht Kilometer entfernt und mit dem Flugzeug in fünf Minuten zu erreichen, aber die Schiffsüberfahrt dauert rund 90 Minuten — weil die Fähren sich nur bei Hochwasser durch die Fahrrinne schlängeln können.
„Es gibt kein schlechtes Wetter, nur die falsche Kleidung“ — diese Erkenntnis sollten sich Küstenurlauber vor allem in den Winter und Frühlingsmonaten zu Herzen nehmen. Denn mit Gummistiefeln und Friesennerz lassen sich selbst Regen und stürmischer Wind genießen.
Ansonsten hat die Kurverwaltung etliche Angebote unterm Dach, damit ihre Urlauber auch bei „Schietwetter“ abwechslungsreiche Tage erleben: Klassische Konzerte, Kabarett, Shanty-Chöre und Ausstellungen im Haus des Kurgasts, Nordic Walking, Vorträge im Nationalpark-Haus oder Küstenmuseum im Loog.
Beliebt bei allen Jahrgängen sind die Spaziergänge mit Wattführer Heino — ein erlebnisreicher Biologieunterricht. Sowieso: Baden im Meer geht auch im Winter. Das Nordseewasser wird im Erlebnisbad auf wohlige 30 Grad erwärmt.
Kuren auf Juist haben eine lange Tradition. Dafür sorgt schon die jodhaltige Meeresbrise. Das ehemalige Kurhaus, auch „Weißes Schloss“ genannt, ist jetzt ein prächtiges Vier-Sterne-Hotel mit Spa, Sauna und Schwimmbad. Noch heute ist es das prägende Bauwerk der Insel. Die Fassade und der weiße Saal stehen unter Denkmalschutz, das Innenleben bietet eine gelungene Verbindung von Klassik und Moderne.
Der Barkeeper kredenzt einen „Hugo“, einen Cocktail aus Prosecco, Holundersirup, frischer Minze, Limette und Mineralwasser. Aufgefüllt mit Eiswürfeln ist das genau die richtige Erfrischung für einen kleinen Abendspaziergang zum Hafen.
Das Memmert-Feuer, der Leuchtturm, steht in der Dämmerung Modell für die Fotografen. Die Fähre legt ab Richtung Festland, in den Dunst des Wattenmeers. Möwen kreischen. Ein wenig wehmütig winken an der Reling die Menschen, die jetzt zurück in ihren Alltag schippern. Tschüüüüs mien Töwerland!
„Kiek mol wedder in!“ “, ruft ein freundlicher Dienstmann über die Wellen.