Bei unseren Städtereise-Empfehlungen für ein Wochenende geht es diesmal um Barcelona und Antoni Gaudís Meisterwerke Der Vollendung ein Stück näher

Von Claudia Kasemann

 Ein menschlicher Turm für die Türme: Auftritt der traditionellen Castellers anlässlich der Illuminierung der Sagrada Familia.

Ein menschlicher Turm für die Türme: Auftritt der traditionellen Castellers anlässlich der Illuminierung der Sagrada Familia.

Foto: IMAGO/ZUMA Wire/IMAGO/Matthias Oesterle

Dunkelheit. Und dann die ersehnte Erleuchtung: Zwei neue Türme der Sagrada Família in Barcelona sind jetzt erstmals beleuchtet worden. Eine Premiere, die weltweit viele Menschen und Fans der katalanischen Hauptstadt bewegt hat. Gotteshäuser gibt es unzählige auf der Welt, viele einzigartige finden sich in Europa. Doch keines ist vergleichbar mit der Sagrada Família in Barcelona, der Unvollendeten des genialen Architekten Antoni Gaudí. An der weltberühmten Basilika des katalanischen Meisters wird seit 141 Jahren gebaut, sie ist das meistbesuchte Wahrzeichen der Stadt.

Doch das Kirchengebäude ist selbstverständlich nicht Gaudís einziges Werk – ein Städte-Trip nach Barcelona lohnt sich allein schon für den Besuch der wichtigsten Zeugnisse seines Schaffens: die Casa Milà, Casa Batlló, und der majestätische Parc Güell. Ein langes Wochenende sollte schon eingeplant werden, denn jede einzelne Adresse lohnt eine Führung, idealerweise mit lokalen Stadtkennern. Von ihnen erfährt man Geschichten und Hintergründe zu Gaudís Werken. So zum Beispiel die Tatsache, dass die Barceloneser den als exzentrisch geltenden Architekten zunächst wenig schätzten und die heute weltberühmte Casa Milà „La Pedrera“ tauften, den „Steinbruch“. Eine Verschandelung ihrer feinen Neustadt sei das seltsame Ungetüm, schimpften damals nicht wenige über das große Eckgebäude.

Casa Milà, willkommen
im Steinbruch

Zwar war den Städtern unkonventionelle Architektur durchaus nicht fremd, aber der gewaltige Komplex mit seinem wellenförmigen Dach, den hallenartigen Innenhöfen und Balkonen vor runden Fenstern – das schien dann doch etwas zu viel für den damaligen Geschmack. Die Casa Milà war an Eleganz, Schönheit und Perfektion ihrer Zeit weit voraus, hat bis heute nichts von ihrer Faszination eingebüßt und ist längst das Gegenteil eines Fremdkörpers im Viertel.

Wie visionär Gaudí plante, zeigt sich auch im Parc Güell, der, 1900 konzipiert, ein „Garten für alle“ sein sollte, die grüne Lunge der Stadt und ein Rückzugsort. Das ist er bis heute – und traumschön dazu.

An der Sagrada Família arbeitete Gaudí ab 1883. Die Kirche wurde zu seinem Lebenswerk und einem Gesamtkunstwerk, dem er sich bis zu seinem Tod 1926 ausschließlich widmete. Eine „Basilika für die Armen“ sollte sie nach seinen Worten werden. Mit dem Bau war ursprünglich Francisco del Villar beauftragt, dessen Entwurf eine traditionelle Kathedrale nach neugotischem Modell vorsah. Als der schon bald wegen Streitigkeiten die Arbeit niederlegte, übernahm Gaudí die Bauleitung. 18 Türme sollte die Basilika ursprünglich bekommen, Symbole der zwölf Apostel, der vier Evangelisten und der Muttergottes, überragt von einem zentralen Turm als Sinnbild der Größe Christi. Ein gewaltiges Vorhaben. Nach dem Tod des Meisters wurde der Bau zwar fortgeführt, unterbrochen jedoch von Welt- und Bürgerkrieg, entgegen Widerständen und mit vielen Pausen. Bislang prägen acht fertiggestellte Türme die weithin sichtbare Fassade, und ein wichtiger Schritt war nun die Vollendung zweier Turmspitzen. Erzbischof Juan José Omella hatte die beiden 135 Meter hohen Türme, deren Bau im September abgeschlossen wurde, zuvor feierlich geweiht. Anschließend strahlten erstmals die Spitzen aller vier Evangelistentürme eindrucksvoll im Dunkeln.

Eigentlich sollte die Basilika bis zum 100. Todestag Gaudís im Jahr 2026 fertig werden - die Bauarbeiten hatten sich aber in Folge der Corona-Zeit stark verzögert. „Wenn wir nicht noch ein so großes Problem wie die Pandemie bekommen, wird die Sagrada Família in maximal zehn Jahren fertig sein“, sagte dazu der Präsident ihres Verwaltungsrates, Esteve Camps, der Zeitung „La Vanguardia“. kas/afp