Digitale Verunsicherung Von Flüchtlingen, die Kontakt suchen

„Gerade angekommen. Hotel und Wetter gut. Todmüde. Melde mich.“ Wir sagen kurz daheim Bescheid, informieren uns vorab bei Geschäfts- und Urlaubsreisen über unser Ziel, über Einreisebedingungen und Vorsorge, lesen gespannt die Erfahrungen anderer Reisenden.

Foto: Sergej Lepke

Das Internet hat sich über alle Kontinente hinweg zu einer Informationsbörse für Länder, Städte und Gegebenheiten entwickelt. Wer wegfährt, weiß einerseits, was ihn erwartet. Den Rest bringen wir — alway on — unterwegs in Erfahrung. Andererseits melden wir uns bei denen daheim und halten sie in Wort und Bild auf dem Laufenden. Statt ins Blaue hinein sind wir in der Datenwolke unterwegs.

Über unsere Mobilgeräte nehmen wir ein Stück „Zuhause“ mit in die Fremde. Der Luxus der vernetzten Welt entwickelt heute eine neue Dimension: Für Flüchtlinge ist der digitale Kommunikationskanal existentiell. Das Handy beantwortet drängendste Fragen: Wo ist der Rest meiner Familie, wo sind wir willkommen und wo droht Gefahr? Auf der Flucht bietet die Funkverbindung oft die letzte Kontaktmöglichkeit in die verlorene Heimat, zu Gefährten und zu Menschen, die helfen.

Das Handy dient der Organisation: Welche Grenze ist noch offen, wie erfolgt der Transport und wo gibt es Trinken und Essen? Ein menschenwürdiger Ablauf der Fluchtbewegung braucht freie Information. Entscheidend hierfür ist die Verfügbarkeit der Netze. Hierzu könnten wir beitragen, indem wir in unserem W-Lan-Router Gastzugänge öffnen. Doch gegen ungeschützte digitale Gastfreundschaft spricht von Staats wegen die gesetzliche Störerhaftung.

Das Resultat: Sicherheitshalber lassen wir Flüchtlinge auf ihrem Weg allein, statt sie im offenen Internet willkommen zu heißen. Während sie um ihr Leben und ihre Lieben fürchten, haben wir Angst vor der Hilfestellung. Einen Ausweg bieten Organisationen wie die Freifunker (freifunk.net), die für freie Netzzugänge sorgen. Mitmachen kann jeder. Je enger das Netz, desto besser. Auch für uns selbst, denn ein dichtes Netz gibt Halt. Nicht nur in der Fremde.