Kö-Bogen II: Die Mängelliste ist lang

Ein echter städtebaulicher Entwurf für das Zentrum der Landeshauptstadt fehlt noch immer, trotz der Ingenhoven-Pläne.

Foto: Simulation: Ingenhoven

Düsseldorf. Christoph Ingenhoven ist ein genialer Architekt, der mit Einfällen punktet. Doch trotzdem sollte es bei der Bebauung des Areals Kö-Bogen II vor dem Dreischeibenhaus nicht vor allem um schräge und begrünte Fassaden gehen. An erster Stelle müsste vielmehr ein ganzheitlich gedachtes, städtebauliches Konzept stehen. Doch gerade in dieser Hinsicht ist die Mängelliste lang:

Optischer Trick: Fachleute nennen Ingenhovens Neue Mitte am Gründgens-Platz einen „optischen Trick“. Denn selbst in abgetreppter Form wirkt sein Gebäuderiegel vom Gründgensplatz bis zur Schadowstraße extrem massiv. Am Schauspielhaus geht sein Komplex 19 Meter hoch, an der Schadowstraße bis zu 29 Meter. Der umbaute Raum ist enorm und wird gar nicht erst beziffert.

Denkmal: Noch raffinierter als sein treppenförmiger Großbau wirkt sein Entwurf für die verglaste Halle. Das dreieckige Dach beginnt am Gründgens-Platz ebenerdig, steigt aber zum Dreischeibenhaus auf zehn Meter an. Ist das so erlaubt? Bislang sind die Denkmalschützer weder der Stadt noch des Landes gefragt worden.

Sie mögen auf Oberbürgermeister Dirk Elbers gesetzt haben, der ursprünglich einen freien Blick auf die beiden Denkmäler haben wollte. Nun kämpft nur noch HPP (die Firma hatte die Architekturikone einst gebaut) für eine Freifläche. Die HPP-Chefs Faust und Feldmeyer schlagen vor, das Grün des Hofgartens weit in den Platz vor dem Theater zu ziehen.

Markthalle: Inspiriert vom Markthallenkonzept Mercado San-Miguel in Madrid kommt seit November 2013 das Markthallenkonzept für Düsseldorf ins Spiel. Am Rande einer Veranstaltung des Architekten- und Ingenieur-Vereins war zu hören, dass die von Ingenhoven geplante Halle zur falschen Seite ausgerichtet sei, nämlich zur Gleistrasse.

Ohne direkten Zugang zur Schadowstraße müsse sie auf viele Laufkunden verzichten. Sie werde zudem an einem Standort platziert, wo es keine gewachsene Wohnbebauung gibt. Die IHK wurde nicht gefragt. Sie hätte den Architekten reinen Wein eingeschenkt, dass es so eine Halle schwer haben wird. In Zürich wurde aus der Markthalle eine „Fresshalle“, in Bern zog dort ein Mediamarkt ein, am Alexanderplatz wird die alte Halle aufgelöst.

Und ob die Markthalle des Mercado-Teams in einem oberen Geschoss auch noch eine Eventhalle braucht, in Konkurrenz zum Schauspielhaus, darf man bezweifeln. Es kann nicht im Sinne der Landesregierung sein, die 50 Prozent des Schauspielhaus-Etats trägt, dem Theaterbetrieb eine Eventbude vor die Nase zu setzen.

Dachbegrünung: Ingenhovens Entwurf für seinen Food-Market ist verlockend — schön mit dem schrägen, begrünten Dach, das zum Gründgens-Platz ausläuft und das sonnenbadende Menschen anlockt. Nur: Ingenhovens grünes Dach steigt an. Deshalb ist ab drei Meter Absturzhöhe eine Sicherung zwingend vorgeschrieben. Sie kann als Geländer, Gerüste, Fangnetze oder Anseilschutz ausgeführt werden. Mit einer Zeichnung und etwas grüner Farbe ist es also nicht getan.

Wohnen: Nathalie de Vries aus dem berühmten Rotterdamer Büro MVRD hatte bei ihrem Einstand als Professorin für Baukunst im WZ-Gespräch erklärt, eine Stadtmitte sei tot, wenn man dort nur arbeiten und shoppen, aber nicht wohnen könne. In Ingenhovens Großkomplex zwischen Schauspielhaus und Schadowplatz sind Einzelhandel und Büros vorgesehen.

Molestina, der mit einem überarbeiteten Entwurf erneut antrat, spricht von „Einkaufen und Wohnen“. Über dem gewerblichen Sockel schlägt er zwei weitere Wohngeschosse vor, bestehend aus Geschosswohnungsbau. Sollte man diesen Vorschlag nicht wenigstens diskutieren?

Platzgestaltung: Das Herz Düsseldorfs hätte der Gründgens-Platz werden können. Ingenhoven sieht den Platz lediglich als „Sichtachse“ an. Auch die übrigen Architekten haben keine Ideen dazu. Wie sagte Bürgermeister Friedrich Conzen im WZ-Gespräch: „Man muss nicht jeden Platz gestalten.“ Schade, dass er dabei ausgerechnet an den Gründgens-Platz denkt.