Blind Guardian – Weltstars vom Inrath
Krefeld. Weg aus Krefeld? Hansi Kürsch lächelt fast ungläubig. "Warum denn das?" Na ja, die Frage muss doch erlaubt sein. Schließlich ist der 44-Jährige mit Blind Guardian weit herumgekommen.
Der Sänger der Metalband schwärmt im Interview von "magischen Momenten" in Australien, Unplugged-Sessions im Hard-Rock-Café Bangkok oder umjubelten Konzerten in Südamerika. "Das ist schon etwas Besonderes", sagt Kürsch. Doch dann schränkt er ein. "Im Vorbeigehen macht das Spaß." Aber auf Dauer?
Kürsch muss nicht lange überlegen. "Unsere Wurzeln liegen einfach in Krefeld und ich habe mein ganzes Leben hier verbracht." Mit seiner Frau und Kind wohnt er am Inrath. Auch die Bandkollegen Andre Olbrich, mit dem er 1984 die Vorgängergruppe Lucifer’s Heritage gründete, und Marcus Siepen leben mit ihren Familien in Krefeld. "Und das gerne", betont Kürsch, auch wenn viele ja über die Stadt schimpfen würden.
"Wir lieben die Anonymität hier, haben trotzdem die Nähe zu den Großstädten. Das passt ganz schön", sagt Kürsch. Außerdem liegt das bandeigene Produktionsstudio praktisch um die Ecke. "In Grefrath-Oedt. Das Studio haben wir uns in einem alten Bauernhof aufgebaut."
Mehr als drei Millionen Platten hat die Band mittlerweile verkauft, mit dem aktuellen Album "At the Edge of Time" stieg sie im August auf Platz zwei in den deutschen Charts ein. Fanclubs gibt es rund um den Globus. "Wir sind eine weltweit funktionierende Band."
Und doch wünscht sich Kürsch hierzulande mehr Aufmerksamkeit, nicht unbedingt für seine Band, sondern den Metal an sich. "Im Radio zum Beispiel wird das kaum gespielt." Obwohl der Markt riesig sei. "Das zeigt doch schon ein Festival wie Wacken." Vor 75.000 Fans stand Kürsch dort im August auf der Bühne, sang bei der befreundeten Band Grave Digger mit. "Im schottischen Kilt. Das war ein Erlebnis."
Im kommenden Jahr sind Blind Guardian als Headliner für das Open-Air in Schleswig-Holstein gebucht. Auch wenn die Band nie einen bravo-mäßigen Bekanntheitsgrad erreicht hat, stört das Kürsch und seine Mitstreiter nicht - um sich einmal wie die Beatles zu fühlen, reicht ein Konzerttrip nach Asien.
Metalfans in Deutschland, sagt Kürsch, seien immer höflich. "Die wissen, was Privatsphäre ist." Und seitdem er sich vor einiger Zeit von seiner langen Haarmatte getrennt habe, würden ihn ohnehin noch weniger Leute auf der Straße erkennen.
Irgendwie würde ein Stargehabe auch nicht passen zu dem Mann, der im Interview immer nett fragt, ob er sich noch eine Tasse Kaffee einschütten darf und sich für Bandkumpel Olbrich entschuldigt, der eigentlich auch kommen sollte, "es aber wohl leider nicht geschafft hat. Er ist halt unser Nachtarbeiter, sitzt oft bis in den frühen Morgen im Studio. Dann gibt er mir manchmal die Klinke in die Hand."
Den Musikmarkt, kritisiert Kürsch, dominiere Plastik-Mainstream. "Das ist doch das Spiegelbild einer uniformierten Gesellschaft", sagt der Lead-Sänger ernst. Verbittert will er nicht klingen, ändern könne man daran ohnehin nicht viel. "Es gibt Bands, die werden stiefmütterlicher behandelt." Ihn ärgere nur, wenn es immer wieder heißt: "Blind Guardian? Das sind doch die mit den Elfen, Drachen und Gnomen."
Natürlich habe er sich beim Songschreiben durchaus von Tolkien oder der Artus-Sage inspirieren lassen. "Auch Mythologie ist ein großes Hobby von mir." Aber die Lieder zeugen von mehr als dem bloßen Nacherzählen. "Es geht um persönliche Deutungen, Empfindungen, philosophische Themen." Immer anspruchsvoller seien die Texte geworden, heißt es auch von Kritikern. Die letzten Studioalben erschienen 2002 und 2006. Das nennt man wohl ausgereift.
"Wir touren ja zwischendurch auch", erklärt Kürsch, "auf allen Kontinenten." Jetzt sind sie wieder unterwegs. Nach Abstechern in die Nachbarländer steht unter anderem am 9. Oktober Düsseldorf auf dem Programm. Und wann spielen die Jungs zu Hause? "Krefeld wird der Abschluss unserer Tour", kündigt Kürsch an.
Ein genauer Termin stehe aber noch nicht fest. Erstmal geht es ja wieder in die Weltgeschichte: Die USA und Kanada im November, Australien voraussichtlich im Frühjahr 2011, Südafrika, Südamerika und Australien sind auch geplant. Viele Eindrücke sammeln - und dann wieder in die beschauliche Heimat.