Die Mittagsglosse: Zen-Momente im Bürostuhl
Krefeld. Eine Mittagspause in den Redaktionsräumen unterscheidet sich markant von einer Auszeit in der Stadt. Was in der Außenwelt noch Serviette genannt wird, hat beim Speisen vor dem Computer jeglichen feinen Klang verloren, heißt jetzt nur noch Papiertuch und stammt aus dem Spender der Toilettenräume.
Die Funktion von Teller, Schneidebrettchen und Tischmülleimer übernimmt die PC-Tastatur, weswegen bei regelmäßigen Büro-Essern einzelne Buchstaben beim Tippen knuspern oder kleben.
Im schlimmsten Fall können bestimmte Tasten gar nicht mehr gedrückt werden, weshalb in der Folge besonders schwere journalistische Gattungen produziert werden müssen, wie etwa die Theaterrezension ohne „r“ und „a“. Kollegen, die mittags gerne an ihrem Platz bleiben, schwören trotzdem auf die Ruhe, die man nach 12 Uhr in der Redaktion erleben könne, wenn nur noch der Ventilator surrt und eine einzelne verlorene Seele mit Papieren raschelt.
Zeugenberichte widerlegen jedoch das Märchen von den Zen-Momenten im Bürostuhl. Nach jedem Bissen klingelt das Telefon, Kollegen und Besucher wollen „eigentlich nicht stören“, sitzen aber schon längst plappernd in Spritzreichweite der Spaghetti Napoli. Wer das einmal mitgemacht hat, wünscht sich schnell den Straßenmusiker zurück, die Müllwagen und die Ostwall-Ampel. Sie ist eben in Relation doch wunderschön — die Mittagspause in Krefeld. neuk