Ein Beruf mit vielen Seiten
Das Handwerk hat eine lange Tradition. Doch mittlerweile ist es vom Aussterben bedroht.
Krefeld. Sie könnten Brüder sein, der eine im blauen, der andere im rot-karierten Hemd. Geschwister sind Georg Uebermuth und Joachim Sonnen zwar nicht, dennoch verbindet sie etwas: Die beiden Männer sind Buchbinder. Seit 2006 führen sie gemeinsam die Buchbinderei Broich an der Emil-Schäfer-Straße. Ihr Zusammenschluss als Geschäftspartner ist der Tatsache geschuldet, dass der Traditionsberuf ein aussterbender ist. Früher war Broich die größte Buchbinderei am Niederrhein.
„Wir haben hier teilweise bis zu zwölf Leute beschäftigt“, erzählt Uebermuth. Heute sind es nur noch die beiden Inhaber, eine Teilzeitkraft und eine Praktikantin. Gründe hierfür gibt es viele.
Das größte Problem sei die heutige Schnelllebigkeit, sagt der 56-Jährige: „Die Leute haben keine Zeit mehr. Wenn sie heute ein Buch zur Reparatur bringen, hätten sie es am liebsten gestern schon abgeholt.“ Das sei aber nicht möglich, denn der Beruf des Buchbinders sei nun mal ein Handwerk. „Im Prinzip braucht man nur ein paar Maschinen. Hand anlegen muss man bei jedem Produkt und jedem Arbeitsgang. Da muss jeder Buchstabe sitzen“, weiß der Krefelder.
Der 51-jährige Joachim Sonnen ist gerade dabei, das Gesagte in die Tat umzusetzen. Er steht an der Prägemaschine und setzt die Buchstaben ein, die am Ende in Gold auf dem Einband prangen sollen. Das Goldband, mit dem die Buchstaben geprägt werden, wird mit Hitze und Druck auf das Buch gepresst. Das braucht Zeit.
„Was heutzutage geliefert wird, ist keine Qualitätsarbeit mehr, das ist alles Massenware. Aber das ist ja klar, meistens stehen da eben keine gelernten Buchbinder“, sagt Georg Uebermuth.
Er selbst kam 1973 ins Unternehmen. Gleich am Tag des Vorstellungsgespräches habe er noch mit dem damaligen Chef, Franz Broich, Rahmen zusammengesetzt, erzählt er. Seitdem sei viel passiert. Nachdem der Chef gestorben war, übernahm sein Sohn Bernfried Broich das Geschäft. Doch auch er starb im Jahr 2005. Danach hat Uebermuth den Laden übernommen.
Der Betrieb wurde 1896 gegründet, doch heute, im digitalen Zeitalter, machen es Großanbieter und ihre Dumpingpreise dem Traditionsbetrieb schwer. „Viel wird heute auch am Computer gemacht. Das Gesamtaufkommen hat einfach nachgelassen, es werden weniger Bücher gebunden.“ Auch die Konkurrenz der Behinderten- und Gefängniswerkstätten sei nicht zu unterschätzen, sagt Uebermuth.
„Trotz allem ist es ein schöner Beruf, der viel Freude bereitet. Es ist ja auch oft eine kreative Arbeit“, beschreibt der passionierte Motorradfahrer sein Handwerk. Früher gehörte es auch dazu, Bilder zu rahmen oder Zettelboxen und Visitenkarten-Kästchen zu entwerfen und zu fertigen. „Man hat selbst etwas hergestellt und die Leute haben es einem direkt abgenommen, weil es ihnen gefiel“, sagt Uebermuth. „Wir Buchbinder sind Individualisten und stellen Einzelstücke her. Ein Buchbinder kann eben mehr als nur Bücher binden.“