Karneval: Tanzend und singend durch das Wochenende
Die Krefelder genießen ausgelassen die fünfte Jahreszeit. Ob in Stadtwaldhaus oder Dionysiuskirche: Die Stimmung ist bestens.
Krefeld. Ihr erstes kleines jeckes Jubiläum feierte die KG Seidenstädter 2002 am Samstag im Seidenweberhaus: Seit elf Jahren gibt es die Gesellschaft, die auch in der ehemaligen Schänke des Seidenweberhauses gegründet wurde. Außerdem war es ihre zehnte Prunk-Kostümsitzung. „Unsere 600 Gäste sind überwiegend kostümiert, womit unser langfristiges Ziel klar ist“, so die Karnevalisten der jüngsten Krefelder Gesellschaft, „kostümiert feiert es sich besser!“
Als Besonderheit bietet man den Gästen die Gelegenheit, während der Sitzung Fassbier vom Pittermännchen auf dem Tisch zu trinken. So klein an Jahren die Gesellschaft auch erst ist, so groß ist ihr Programm. Nur die Spitzenkräfte des rheinischen Karnevals werden hier engagiert und damit fühlt man sich bei den Seidenstädtern stets im Schatten des Domes. Die Prinzen-Garde Köln 1906 machte den Anfang und mit dem Dellbröcker Boore Schnäuzerballett der KG Uhu von 1924 Köln-Dellbrück startete der zweite Teil nach der glücklicherweise dann doch nicht so langen Raucherpause. Die mit einem Schirm ausstaffierten „schönsten Männer us Kölle“ schafften es mit der unvergleichlichen Grazie ihres männlichen Mariechens, wieder Stimmung in den Saal zu bringen. Tänzerische Akrobatik, die einem teilweise den Atem stocken ließ, bot das Tanzcorps Colonia Rut-Wieß. Fliegende Mariechen mit und ohne Salto oder das Synchron-Fliegen der jungen Damen, das war tatsächlich erstklassig.
Dass auch bei der ältesten Krefelder Gesellschaft richtig junger Karneval gefeiert wird, beweist die Galasitzung der Gesellschaft Parlament 1857 am Samstagabend. Über 260 Närrinnen und Narren finden sich bunt kostümiert im Stadtwaldhaus zusammen und feiern bis spät in die Nacht.
Den Startschuss des Abends gibt das Traditionscorps Oecher Storm von 1881. Zur Überraschung der Jecken eröffnet der Kommandeur des Corps die Sitzung und nicht Parlamentspräsident Jürgen Fischer. Stattdessen befiehlt dieser die Freunde aus Aachen. Karneval verkehrt. Die Aachener Freunde begeistern das Publikum mit Tanz, Show und Musik und heizen dem Saal gekonnt ein.
Für viele Lacher sorgen die Redebeiträge. Beim Zwiegespräch „Der Bauer und der Wiener“ ist das Eis schnell gebrochen, schließlich sind die beiden keine Unbekannten auf der Parlamentsbühne. Der Wiener berichtet von seiner Frau, die gerade eine Telefondiät macht. Was das ist, möchte der Bauer wissen. „Na, immer wenn das Telefon klingelt, nimmt sie ab!“ Ihr Auftritt erntet tosenden Beifall und wird mit der ersten Rakete des Abends gewürdigt. Auch das Rednerduo Herby und Hennes aus Köln zieht die Jecken in seinen Bann. Der Paartherapeut Herby stellt sein neues Buch „Paare ohne Probleme“ vor.
Das Krefelder Prinzenpaar Toni II. und Verena I. und ihre Minister sowie das Uerdinger Prinzenpaar Dieter III. und Rosi I. statten der Gesellschaft einen Besuch ab und werden unter stehenden Ovationen herzlich empfangen.
Musik und Tanz dürfen natürlich auch nicht fehlen. So setzen die Parlamentarier nur auf Tanzgruppen aus Krefeld. Die Tanzgruppe Stahldorf sowie die Tanzgarde GKG Krefeld 1878 reißen die Gäste mit ihren Tänzen gepaart mit Akrobatik von den Stühlen.
In Sachen Musik dominieren Gruppen aus der Karnevalshochburg Köln. De Vajebunde präsentieren neben ihren neuen Liedern auch ihren Erfolgshit „Für die Liebe, für das Leben“. Es wird ausgelassen getanzt, gesungen und geschunkelt — auch, als die Band Kölschraum mit ihren Karnevalhits „Richtig fiere“ und „Fott wie e Pääd“ den Saal auf Hochtouren bringt.
Pünktlich um 11:11 Uhr am Sonntagvormittag wird es laut im ausverkauften Saal des Stadtwaldhauses. Rockige Töne erklingen von der Bühne und die ersten Jecken stehen bereits auf den Stühlen — es ist der Auftakt der 13. Pappnasensitzung des Freundeskreises Die Labersäcke.
Eigengewächse geben zunächst den Ton an. Die Dollen rocken die Bühne zu Kiss, AC/DC, ZZ Top und der Rocky Horror Show und bieten mit ihren Tanzeinlagen vor allem dem weiblichen Publikum einen ersten Augenschmaus.
Es folgt ein Klassiker im Karneval mit dem Büttrednerduo Harry und Achim. Herrlich doll und herrlich blöd geht es zwischen den beiden zu. Das Spaßduo aus Köln bringt die 400 Närrinnen und Narren zum Dauerlachen und wird mit der besonderen Pappnasenrakete entsprechend honoriert.
Auch die letzte deutschsprachige Putzfrau vor der Autobahn, Achnes Kasulke, weiß mit ihrem Wortwitz das Publikum für sich zu gewinnen und sorgt für gute Laune, ebenso wie Hannes Kockers, der Ex-Prinz der Session 2009. Durch Witz und Charme bleibt kaum ein Auge trocken.
Eine Showeinlage der besonderen Art bietet die Comedy-Tanzgruppe Take datt. Die in Frack und Zylinder kostümierten Herren überzeugen durch parodistische Choreographien auf bekannte Lieder, die zum Mitmachen animieren. Tosender Beifall und die Pappnasenrakete sind der verdiente Lohn.
Mit Tanz, Akrobatik, Wurf- und Hebefiguren bringt die Große Tanzgarde der GKG 1878 den Saal erst richtig in Wallung. Wie im Jahr zuvor sind die Jecken von der Tanzgarde vollauf begeistert.
Musikalisch heizt das Gulaschkappel den Saal richtig ein. Unter dem Motto „Nichts anbrennen lassen“ bringen die Musik-Köche die Stimmung zum Kochen. Auch die Rhienstädter und das A-cappella-Quartett De Wanderer aus Köln reißen die Gäste mit ihren Klängen von den Stühlen. Ein Highlight ist die Krönung des Saalprinzenpaares, welches aus den Reihen des Publikums gewählt wird: Julian I. Ferlings und Andrea I. Kebschull, die als Clowns verkleidet zur Sitzung gekommen sind.
Überraschend andere Musik schallte Sonntag durch das große Kirchenschiff: „Echte Fründe ston zesamme“ sangen Cowboys, Katzen und Spidermans und erfüllten die Dionysiuskirche mit jeder Menge närrischem Frohsinn. Zusammen mit den unkostümierten Kirchgängern feierte das jecke Volk den zweiten närrischen Gottesdienst.
„Es ist der letzte Sonntag vor dem Straßenkarneval und diese Zeit wollen wir nun einläuten“, sagt Organisator Albert Höntges. Organisiert wurde der närrische Gottesdienst vom Festkomitee Krefelder Karneval und von der Arbeitsgemeinschaft Krefelder Karnevalisten.
Die Abordnungen der Karnevalsvereine zogen feierlich in die Kirche ein und fortan wechselte die Stimmung zwischen heiter und besinnlich. Derart viele Besucher hat man in der Kirche lange nicht mehr gesehen. Das freute besonders Pfarrer Heinz Herpers, der den Gottesdienst mit viel guter Laune zelebrierte.
Besonders war, dass nicht nur Kirchenlieder gesungen wurden, sondern auch ausgesuchte Karnevalsmelodien: Zu Liedern wie dem Bläck-Fööss-Hit „In Unserem Veedel“ wurde leicht in den Bänken geschunkelt und lautstark mitgesungen. „Es ist toll, dass so viele Leute gekommen sind, denn schließlich hat der Karneval seinen Ursprung in der Kirche“, sagte Höntges.
In seiner Predigt sorgte Pfarrer Herpers mit vielen Bezügen zum Karneval für Lacher und berührte mit seinen Worten die Zuhörer. Eine weitere Besonderheit war die Weihung der neuen Standarte der Westgarde. In den Gesichtern der nicht-närrischen Kirchgänger konnte man ablesen, dass sie diesen abwechslungsreichen Gottesdienst und die Fröhlichkeit sehr genossen. Und auch nach dem Gottesdienst hielt bei einem gemütlichen Beisammensein vor der Kirche die gute Stimmung an.
Bis in die frühen Morgenstunden feierte die Linner Burggarde Greiffenhorst ihr 25. Jubiläum. Die Kostümsitzung fand allerdings nicht wie vorerst geplant in der Linner Museumsscheune statt, sondern im Vereinsheim am Scheiffgensweg.
Dennoch war die Stimmung unter den kostümierten Narren großartig. Etwas für die bunt geschminkten Augen gab es bei den Garde- und Showtänzen der Essener Ruhrnixen und der eigenen Tanzgarde. Aber auch die Lachmuskeln der Linner wurden gleich mehrfach auf harte Proben gestellt: Achim und Harry, De Advocat, Volker Diefes sowie Martha und Lisbeth sorgen für jede Menge Schenkelklopfer.
Für ihre besonderen Tätigkeiten und Treue zum Verein wurde Matthias Belles und Monika Schwaiger der BDK Orden in Gold verliehen. Sabrina Belles bekam den LRK Orden in Gold.
Natürlich durfte an diesem närrischen Abend auch die Musik nicht fehlen: Zu Eigenkompositionen und klassischen Karnevalsliedern tanzten die Linner Jecken bis tief in die Nacht.