Ein Mann als Ersatz-Mutter
Mirko Billen arbeitet seit einem halben Jahr als Tagesvater. In Zukunft möchte er auch behinderte Kinder betreuen.
Krefeld. Heute muss der zweijährige Jonah alleine spielen. Die beiden Tageskinder, mit denen er sonst seinen Tag verbringt, sind noch im Urlaub. „Manchmal ist es mit mehreren Kindern ruhiger, als wenn nur eines da ist“, sagt Jonahs Vater, Mirko Billen. Der 36-Jährige ist einer von zwei Männern in Krefeld, die als Tagesvater arbeiten.
Schon vor der Geburt seines ersten Kindes, der heute vierjährigen Tochter Ilka, ist für Mirko Billen klar, dass er die Kinder-Betreuung übernehmen wird. „In meinem Beruf als Chemikant habe ich im Schichtdienst gearbeitet. Das lässt sich schwer mit einem Familienleben vereinbaren.“ So ist es der Familienvater, der in Elternzeit geht, während seine Frau ihrem Job als Chirurgin an einem Süchtelner Klinikum weiter nachgehen kann. „Wir haben beide einen totalen Rollentausch vollzogen“, erzählt Billen.
Mit der Geburt von Sohn Jonah zwei Jahre später schließt sich die nächste Elternzeit nahtlos an die erste an. „Irgendwann habe ich mir dann gedacht, ich könnte doch Tagespflege machen. So hätte mein Sohn Kinder zum Spielen und ich würde etwas Geld dazu verdienen.“
In einem Tagespflege-Grundkurs, der im Haus der Familie in Krefeld angeboten wird, erwirbt der zweifache Vater in 80 Unterrichtsstunden die Grundlagen der Kinderbetreuung und ist somit eine qualifizierte Tagespflegeperson. Weitere 80 Stunden müssen in Abendseminaren absolviert werden.
Da zwei Mütter aus seinem Bekanntenkreis eine Betreuung für ihre Kinder suchen, sind die beiden Plätze, die Mirko Billen zu vergeben hat, schnell besetzt.
Seit einem halben Jahr steht er nun täglich um sechs Uhr in der Früh auf, bereitet Butterbrote für seine Frau und seine Tochter zu, bringt Tochter Ilka in den Kindergarten und empfängt um sieben Uhr bereits seinen ersten Tagesgast, den zweijährigen Alexander. Sobald die dreijährige Lia von ihren Eltern gebracht wurde, ist die Runde komplett und es wird gemeinsam gefrühstückt.
Bis zum Mittagsschlaf gegen elf Uhr, der in Gästebetten im Schlafzimmer gehalten wird, können die Kinder spielen und sich beschäftigen. Dazu haben sie im Kinderzimmer, im Wohnzimmer sowie im Garten viel Platz. „Ich lasse die drei meistens frei spielen“, so der Tagesvater. „Ich beaufsichtige, was sie machen oder zeige ihnen Spielmöglichkeiten, die sie haben. Man tut den Kindern keinen Gefallen, wenn man ihnen ständig vorsetzt, was sie spielen sollen.“
Auf ausreichende Bewegung achtet Mirko Billen ebenso wie auf ein ausgewogenes Spielangebot. „Ich bin weniger kreativ als so manche Frau, aber ich denke, ich bin entspannter, wenn die Kinder mal klettern oder sich verletzten“, sagt er über die Unterschiede zu Frauen in dem Beruf. Auch ein Kind zu trösten, ist für ihn kein Problem.
Nach dem Mittagsschlaf haben die Kinder auch noch mal Zeit zum Spielen — entweder zu Hause oder auf dem Spielplatz.
Zwischen 13 und 16 Uhr werden die kleinen Besucher wieder abgeholt. Um 14 Uhr sammelt er selbst seine Tochter im Kindergarten ein. „Wenn die Tageskinder dann noch da sind, kommen sie einfach mit.“ Danach gibt es für alle belegte Brote. Abends, wenn die Familie dann unter sich ist, wird gemeinsam gekocht und gegessen.
„Ich bin sehr zufrieden mit dem, was ich mache“, sagt Billen. „Ich liebe Kinder über alles. In dem Alter entwickeln sie sich so sehr. Das ist spannend zu beobachten. Bisher habe ich nur positive Erfahrungen gemacht.“
Auch das Jugendamt ist erfreut, wenn es Männer im Bereich Tagespflege vermitteln kann. „Seitdem es die Tagespflege gibt, haben wir immer versucht, Männer zu akquirieren“, sagt Petra Josten, pädagogische Fachberaterin beim Jugendamt Krefeld.
„Das ist natürlich nicht so einfach, da man mit dieser Arbeit keine Familie ernähren kann. Wir würden es aber begrüßen, wenn sich mehr Männer melden würden. Es ist gut für Kinder, wenn sie ein männliches Vorbild haben, gerade bei alleinerziehenden Müttern.“
Wenn der kleine Jonah bald in den Kindergarten kommt, möchte Billen die Tagespflege auf jeden Fall fortführen. „Langfristig habe ich vor, auch mit behinderten Kindern zu arbeiten.“