Ein Pfarrer auf Streife

Michael Hack betreute 30 Jahre die Johanneskirchen-Gemeinde in Forstwald und war mit Leib und Seele Polizeiseelsorger. Jetzt verlässt er Krefeld in Richtung Norden.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Krefeld. Mehr als 42 Jahre lang war Krefeld seine Heimat. Damit ist in diesem Sommer Schluss: Michael Hack, Pfarrer in Ruhe, zieht es in den Norden — der Familie wegen. Im Speckgürtel Bremens finden der 72-Jährige, der drei Jahrzehnte lang die Johanneskirche in Forstwald prägte, und seine Frau eine neue Heimat. Dort lebt bereits die jüngste Tochter mit ihrer Familie.

Auch wenn Hack im Forstwald in den Ruhestand ging, blieb dies nicht seine letzte Aufgabe als Pfarrer: „Meine Gemeinde ist die Polizei“, sagt der Geistliche. Dabei ist die Gegenwartsform eigentlich die falsche, denn seine Berufung zum Polizeiseelsorger endete zum 13. Januar. Hack hätte verlängern können, er wollte aber nicht. „Nochmal für vier Monate — das machte keinen Sinn“, sagt der dreifache Familienvater und rückt seine Brille zurecht. Mehr als 16 Jahre war er der Mann für alle Fälle in der Polizeibehörde.

Unzählige Beamte haben bei ihm zu Hause auf der Couch gesessen bei einem Kaffee — einem guten Kaffee, den Hack frisch gemahlen und aufgebrüht serviert, bevor er Platz nimmt und zuhört. Ein Büro im Präsidium, wie es ihm einst angeboten worden war, hat er stets abgelehnt: „Da wäre ja keiner hingekommen.“ Ehe- und Alkoholprobleme, Frust im Job, noch nach Jahren belastende Einsatzerlebnisse — es gibt nichts, was der Pfarrer in Ruhe nicht gehört hat. Über Inhalte freilich redet er nicht, das gebietet ihm die Amtsverschwiegenheit. Manches war mit großem Leid verbunden, und doch sagt der 72-Jährige, dass er selbst damit immer umgehen konnte und ihm dies keine Probleme bereitete. Auch nicht teils traumatische Geschehnisse, mit denen Polizisten noch nach Jahren zu ihm kamen, weil diese sie plötzlich enorm belasteten.

Er sei immer schon ein sehr wissenschaftlicher Pfarrer gewesen, meint Hack. Die Menschen mögen’s offenbar: Wenn der gebürtige Stuttgarter heute vertretungsweise Gottesdienste übernimmt, dann ist die Johanneskirche voll. Und auch seine „zweite Gemeinde“ fand stets in eindrucksvoller Zahl den Weg zu ihm: Zu den Polizeibeamten hatte der Mann, der bei der Polizeiseelsorge nie den Glauben in den Vordergrund stellte, schnell einen guten Draht. So gut, dass die von ihm selbst auferlegte „Probezeit“ von ein bis zwei Jahren bereits nach kurzer Zeit Geschichte war. Der Pfarrer fuhr mit auf Streife, stand den Kollegen bei der Überbringung von Todesnachrichten zur Seite und war gefragter Mann an Einsatzstellen bei belastenden Ereignissen. Er kennt die speziellen Sorgen und Nöte der Beamten und spricht ihre Sprache. Und weiß, dass man in der Funktion des Polizeiseelsorgers als Pfarrer auch einfach mal anders sein darf: „Man muss auch mal einen schmutzigen Witz machen können“, sagt Hack.

Nebenamtliche Polizeiseelsorger sind ein Auslaufmodell: Die evangelische Landeskirche hat hauptberufliche Pfarrer, die für mehr als eine Handvoll Behörden und jeweils etwa 6000 Beamte zuständig sind. Interessanterweise wohnen die für die Großräume Düsseldorf und Essen beide in Krefeld: die Landespfarrer Bianca van der Heyden und Folkhard Werth. Letzterer ist jetzt auch der Ansprechpartner für die Krefelder Kräfte.

Der Bedarf für Polizeiseelsorge ist vorhanden, sagt Michael Hack, der vor seinem Theologie-Examen auch Kunstgeschichte und Theaterwissenschaften studierte. „Alles, was man in Krimis sieht, ist nicht Polizei.“ Wann komme es schon mal zu einem Schusswaffengebrauch, nennt der Pfarrer in Ruhe ein Beispiel. Im Polizeileben gebe es belastende Situationen, die nicht unbedingt etwas mit Tod zu tun haben müssten. Diese könnten etwa durch politische Entscheidungen ausgelöst werden. Die Polizeihierarchie sei ebenfalls oft ein Grund. Das Zwischenmenschliche spiele zudem immer wieder ein Rolle. Und wird auf Hacks Couch zum Thema.

Oder besser: Wurde. Mitte des Jahres verlässt der 72-Jährige das Bismarckviertel in Richtung Norddeutschland. Und wird doch immer wieder nach Krefeld zurückkehren. Zu viele Freundschaften haben sich entwickelt, nicht nur zur Polizei, auch als Mitglied verschiedener Gruppierungen. So gehört Hack etwa dem illustren Kreis der „Dr. humoris causa“ an. Außerdem hat er stets den Hoppeditz im Nordbahnhof gemacht, was Inhaber Viktor Furth schon Sorgenfalten auf die Stirn getrieben hat: „Er hat mich gefragt, wer das denn jetzt machen soll. Aber ich wohne ja nur 300 Kilometer weg. . .“