Er fährt mit 91 Jahren noch ins Lepra-Dorf
Dr. Otto Paulitschek hat seine Hilfsprojekte in und um Manila besucht. Die „Krefelder Hilfe für Tondo“ hat eine neue Aufgabe.
Krefeld. In Bagong Silang, einem riesigen Slum am Stadtrand von Manila, hat Dr. Otto Paulitschek (91) ein neues Projekt angestoßen. Zum 25. Mal seit seiner Pensionierung ist der frühere Chefarzt des Krankenhauses Maria-Hilf nach Luzon, Philippinen, geflogen — wie immer auf eigene Kosten. 1985 hat Paulitschek die „Krefelder Hilfe für Tondo“ gegründet und ist dem Komitee „Ärzte für die Dritte Welt“ beigetreten. Der Pensionär wollte von dem Glück, das er im Leben hatte, etwas zurückgeben an die Ärmsten der Armen. Dafür hat er schon das Krefelder Stadtsiegel erhalten.
Tondo ist längst kein Barrio mehr, wie die Slums im südostasiatischen Inselstaat genannt werden. Das heißt Siedlung, meint aber illegale. Den Smokey Mountain, die rauchende Müllkippe, an deren Fuß die deutschen Komitee-Ärzte in einem simplen Steinhaus gewohnt haben, gibt es auch schon lange nicht mehr. Gebessert hat sich seit dem Marcos-Regime zwar viel, doch Lepra, Tuberkulose und Armut gibt es immer noch.
Mit dem Geld von Spendern aus Krefeld und Umgebung konnte „Doc Otto“, wie der Krefelder Chirurg seit 25 Jahren in den von ihm betreuten Kliniken und Sozialstationen genannt wird, ein günstiges Grundstück mit Bauruine kaufen — fünf Kilometer von Bagong Silang und dem Lepra-Dorf Tala entfernt. Es befindet sich direkt neben einer Polizeistation, was vor allem Pater Harald gut findet.
Der 73-jährige Ordensbruder (Vom Heiligsten Herzen Jesu und Mariä, kurz SSCC oder Lahnsteiner Patres) war bis vor wenigen Jahren Oberstudiendirektor und Leiter des Christophorus-Gymnasiums in Werne. Als Pensionär wollte er eine Pfarrei und fand sie 50 Kilometer vom Stadtzentrum Manilas entfernt. 45 000 Seelen zählt sie, alle kommen aus Bagong Silang. Geleitet wird die Pfarrei von einem Ordensbruder aus Haiti, Dritter im Bunde der Slum-Geistlichen ist ein Afrikaner, der Vierte ist von seinem Orden in Indonesien entsandt worden.
Die 25 Jahre alte Bauruine wird abgerissen. An deren Stelle soll ein zweigeschossiges Sozialzentrum entstehen. „Die Finanzierung ist einigermaßen gesichert“, verkündet der 91-jährige Otto im Gespräch mit der WZ.
Was treibt einen Mann, der seit vergangenem Jahr Witwer ist, in diesem Alter noch in Armutsviertel in den Tropen? „Der Motor für mich ist die Befreiungstheologie“, verrät der geistig und körperlich erstaunlich fit gebliebene Urgroßvater. Das ist der Zweig der Katholiken, die von der Amtskirche als „kommunistisch“ verschrien waren, weil sie sich für Landrechte und Gerechtigkeit eingesetzt haben.
Wert legt Otto Paulitschek auf die Feststellung, dass sich das Engagement der „Ärzte für die Dritte Welt“ und der philippinischen Kollegen auszahlt. Auch dank der Hilfe der Regierung in Manila konnte das Tuberkulose-Programm nach fast achtjähriger Dauer von 2000 auf 800 Plätze heruntergefahren werden. Jeder Patient kommt automatisch auch in ein Ernährungsprogramm, das mehr kostet als die medizinische Therapie. In Bagong Silang unterstützt die „Krefelder Hilfe“ neuerdings eine Milch-Aktion für Schulkinder.
Zu den Förderprojekten des Krefelders gehört nach wie vor Tala, das Lepra-Dorf mit 25 000 Einwohnern, von denen allerdings nur ein geringer Teil akut erkrankt ist. 2002 errichtete Paulitschek dort die erste Intensivstation für aussätzige Patienten. „Die müssen raus aus den normalen Stationen“, sagte er damals. Der Erfolg gab ihm Recht: Inzwischen gibt es schon vier Intensivstationen für Leprakranke. Auch das sieht „Doc Otto“ mit Freude.