SKM „Es lohnt sich, für etwas zu kämpfen“

38 Jahre lang hat sich Erhard Beckers beim SKM gegen Armut und für die Rechte von Menschen eingesetzt. Jetzt geht er in Rente.

Foto: Andreas Bischof

Krefeld. Für Erhard Beckers ist es am Montag der letzte Tag als Geschäftsführer des Katholischen Vereins für soziale Dienste gewesen. „Heute morgen habe ich meinen Rentenantrag abgegeben“, sagt der 65-Jährige am Nachmittag in seinem Büro an der Hubertusstraße. Er wirkt so gar nicht wie ein Mann, der sich nach einem langen Arbeitsleben nun zur Ruhe setzen will. „Ich kaufe heute noch einen Staffelstab für meine Nachfolgerin Caroline Frank-Djabbarpour.“ Doch auch wenn er ihr den heute offiziell übergibt, sein letzter Arbeitstag beim SKM ist der 30. November. Und dann ist noch lange nicht Schluss.

Insgesamt 38 Jahre lang ist der studierte Sozialarbeiter beim SKM Krefeld beschäftigt. Am 1. Juni 1977 hat er seine Arbeit aufgenommen. Zu einer Zeit, als Sozialarbeitern der Ruf vorauseilte, sie wollten die Welt besser machen. Auch Beckers wollte das, und dafür hat er sich immer und überall vehement eingesetzt.

Ob er heute noch einmal Sozialarbeiter werden würde? „Ja, sofort“, sagt er wie aus der Pistole geschossen. Drei Dinge liegen ihm nach seinen Worten seit jeher besonders am Herzen: „Hilfe für Menschen, die von Armut betroffen sind; Hilfe für Menschen, die psychisch erkrankt sind; und dass sich die gesellschaftlichen Bedingungen der hilfebedürftigen Menschen verbessern.“

In der Einzelfallhilfe hat er etlichen von Armut betroffenen Krefeldern eine neue Perspektive und Hilfe eröffnet. „Circa 2500 Akten sind in den vergangenen Jahren so zusammengekommen“, sagt Beckers. 30 Jahre lang müssen sie aufbewahrt werden. In den nächsten Wochen ist Zeit, viele von ihnen jetzt auszusortieren.

Gelungen ist ihm in der Zeit außerdem, ambulant betreutes Wohnen für Menschen mit einer psychischen Erkrankung oder in Krisensituationen in Krefeld einzurichten. „1985 haben wir mit einer Wohngemeinschaft angefangen“, erzählt Beckers. 75 Prozent der Kosten pro Platz übernahm der Landschaftsverband, 25 Prozent die Stadt zuzüglich einer Pauschale von 900 Mark für Sachkosten. „Wenn einer der Bewohner absprang, ging es für uns direkt in die Miesen.“ Bis 2003 sei der SKM deshalb in diesem Bereich immer defizitär gewesen.

Von da an wurde „Betreutes Wohnen“ zum Standard bei den Hilfen. „Jetzt kriegen wir endlich das bezahlt, was wir auch arbeiten!“, sagt Beckers pointiert. Aus den 42 Plätzen in dem Bereich sind längst 260 geworden. „Wir waren Vorreiter in der Sache.“

Vorkämpfer waren Beckers und der Katholische Verein für soziale Dienste im Bereich Rechtliche Betreuungen. Als 1992 das neue Betreuungsgesetz das alte Vormundschaftsgesetz ablöste, kriegte der Krefelder Verein lange nur als offizielle Aufwandsentschädigung den einfachen Satz bezahlt. Das waren damals 20 bis 25 D-Mark pro Betreuungs-Stunde. Rechtsanwälte hingegen erhielten für die selbe Tätigkeit das Dreifache.

Unterstützt von der Caritas als Dachverband reichte der SKM gegen offensichtliche Ungerechtigkeit Verfassungsbeschwerde ein. Mit Erfolg. „2001 haben wir die Klage gewonnen“, erinnert sich Beckers und ist bis heute mächtig stolz darauf. Seither kriegen alle dasselbe Geld. Sein (Lebens-)Fazit daraus: „Es lohnt, für etwas zu kämpfen.“ Eine Aussage, mit der er auch anderen Menschen in ausweglos erscheinenden Situationen Mut machen will.

Der einzige Bereich, wo er von sich sagt, er sei komplett gescheitert, ist Hartz IV. „Die Einführung vor mehr als zehn Jahren war ein Fehler“, sagt Beckers. Bis dahin kriegten Menschen in Not Unterstützung nach dem Sozialgesetzbuch; heute müssten sie ihre Bedürftigkeit erst einmal nachweisen. „Dabei sind Menschen nicht faul, sondern sie kriegen nur keine Arbeit.“ Diese Beobachtung hat er in den 38 Jahren immer wieder gemacht. „Schuld sind strukturelle Probleme, keine persönlichen Schwächen.“

Deshalb wird sich Erhard Beckers nach seiner aktiven Berufszeit in der Nationalen Armutskonferenz weiter gegen Armut in Deutschland einsetzen.