Festprogramm Galopprennbahn: Husaren-Schnitt mit Prise Sex
Wolfgang Schinke hat für die Gala seine bisher aufwendigste Kollektion geschneidert. Er beweist: Uniformen kleiden auch Frauen gut.
Krefeld. Spektakulär titelten die Zeitungen am 5. April 1906: Kaiser Wilhelm II. persönlich hatte am Tag zuvor das 2. Westfälische Husaren-Regiment NR. 11 in die Stadt Krefeld geführt — und sein Versprechen eingelöst, den Krefelder Damen Leutnants zum Tanzen zu schicken. Im ganzen Deutschen Reich wurden sie deshalb schon bald „Tanzhusaren“ genannt. „Husarenschnitt“ hat Couturier Wolfgang Schinke seine neue Kollektion genannt, die er heute Abend beim Festakt zu „100 Jahre Krefelder Galopprennbahn“ 175 Gästen vorstellt.
Wolfgang Schinke hat mit der Arbeit der vergangenen sechs Monate ein Husarenstück hingelegt. Während die Träger der Uniformen für die damaligen Damen nur so vor Männlichkeit strotzten, ist ihm gelungen, den militärischen Elementen in seiner Damenkollektion einen femininen Touch zu geben — ohne gängige Klischees zu bedienen. Dazu hat er edle Couture-Stoffe mit Blumendrucken verwendet, feinste Spitzen und handgefertige Stickereien eingesetzt und die Fertigkeit höchster Schneiderkunst angewandt — ohne hin und wieder auf eine kecke Note zu verzichten.
„Das ist die aufwendigste Kollektion, die ich bisher entworfen und umgesetzt habe“, erzählt er der Besucherin in seinem Atelier an der Königstraße.
Während er auf seinem großen Arbeitstisch einzelne Kleider und Kombinationen ausbreitet, um die verschiedenen Details näher zu erläutern, schlüpft Nil Misirlioglu für den WZ-Fotografen in ausgewählte Outfits.
„Bei einem Besuch der Uniformschneiderei von Karl Hintzen in Korschenbroich war ich völlig von den Socken, wie viele unterschiedliche Farbkombinationen es allein bei den Husaren gegeben hat“, erzählt Wolfgang Schinke zu den Anfängen seiner Recherche.
Anstatt sich nun aber ein kreatives oder wissenschaftliches Korsett anzulegen, verließ er sich auf sein Gespür — und experimentierte auch schon mal. Beispielsweise bei der Fertigung des wadenlangen Kleides aus braunem Georgette, dessen rechter Ärmel mit lauter, unterschiedlich gemusterten, aber dennoch farblich aufeinander abgestimmten Bordüren besetzt ist. Ähnlich der Tressen, ein aus Gold- oder Silberfäden gewebter Bandstreifen, der immer nur an einer Seite angebracht auf Uniformen den Dienstgrad des Trägers abbildet.
Bei diesem Kleid von Wolfgang Schinke zieren die Bordüren auch grafisch angeordnet Teile der rechten Kleidhälfte und die eigens dazu angefertigte passende Handtasche.
Nur auf den ersten Blick schlichter erscheint der altweiße Gehrock mit knielangem Bustierkleid aus gecrinkelter Faberge-Seide. Das schmale schulterfreie Kleid ziert auf der Vorderseite ein aus feinen Perlen gesticktes Rankenmotiv, ein gleichfarbener Stoffvolant nimmt dem geraden Saum die Strenge. Der Volant blitzt unter dem Gehrock hervor, der anders als bei der Atilla, dem typischen Uniformrock der Husaren, nicht mit verschnörkelten Verschnürungen, sondern mit schlichten, edlen grau-goldenen Bordüren geschlossen wird.
Dass eine Attila sogar sexy sein kann, zeigt die dunkelrote auf Taille geschneiderte Schößchen-Jacke mit tiefem Ausschnitt, die mit schwarzen Posamenten geschlossen wird. Der unifarbene, florale Jacquardstoff ist von der Taille an kunstvoll von Hand ausgestanzt. „Erst wird ein solches Muster gesteppt, dann ausgeschnitten und zuletzt gekerbelt“, erzählt Schinke. Kombiniert wird die Uniformjacke mit einem schwarzen kurzen Rock und einer Uniformhose — übereinander.
Ein Hauch dagegen ist die kleine kastige Jacke aus naturfarbener Tüllspitze, die ein orangefarbiges florales Muster ziert. Während die traditionellen Pelzmützen der Husaren mit grauem Opossumfell verbrämt gewesen sind, greift der Krefelder Designer zu orangefarbenen Fell und fasst die Jacke am Bund und an den Ärmel damit ein. Der Spannungsbogen baut sich auf durch die Kombination mit einer weißen Corsage und Reiterhose aus glänzendem Lack. Doch auch bei dem braveren Mix mit einem schlichten hellen Shiftkleid ist die Wirkung bezaubernd.
Spätestens beim Auftritt des altrosa-farbenen Abendkleides aus Chiffon heute Abend, werden nicht nur die Damen raunen: spektakulär.