Frauen in Not: Hilfe kommt aus dem Internet
Frauen in Not erfahren im Chat von Beraterinnen, wie sie ihrem Martyrium entfliehen können.
Krefeld. Mitten unter uns sind oftmals Menschen in größter Not, doch niemand kriegt das mit. Die Entführung und zehn Jahre währende Gefangenschaft dreier junger Frauen im amerikanischen Cleveland ist einer der spektakulären Fälle — und nur durch Zufall bekanntgeworden.
Das Gros der weiblichen Opfer leidet dagegen im Verborgenen — erlebt Gewalt oftmals in der eigenen Familie. Für diese Gruppe hat der Sozialdienst katholischer Frauen (SkF) eine auf Wunsch anonyme Beratung im Internet eingerichtet, deren zentrale Plattform der Chat ist. Der Name: www.gewaltlos.de.
„Das ist eine gute Ergänzung zu unserem Angebot vor Ort“, sagt SkF-Vorsitzende Ulla Dietz im Gespräch. Das Medium Internet biete für die betroffenen Frauen die Möglichkeit, anonym und von zu Hause aus Hilfe und Beratung in Anspruch zu nehmen — ohne sich zeigen zu müssen und ohne, dass es die Peiniger bemerken. Viele hätten Angst, sich an Beratungsstellen zu wenden. Oder sie schämten sich für ihre Situation, wenn sie zum ersten Mal darüber sprechen.
Wie zum Beispiel die 20-jährige C. Ende des vergangenen Jahres besuchte sie zum ersten Mal den Beratungschat. Aufgrund eines Gehirntumors in ihrer Kindheit ist sie blind. Anfangs sei sie sehr zögerlich gewesen, berichten Ulla Dietz und Geschäftsführerin Tanja Hilmer. Nach einigen vorsichtigen Gesprächen im geschützten Chatroom mailte sie der Beraterin nähere Infos zu ihrem Schicksal.
Ihre Mutter habe ihr zu verstehen gegeben, dass sie keine behinderte Tochter haben wolle, sie geschlagen und ihre Hände mit kochendem Wasser verbrüht. Da sie es nicht anders kennt, als bestraft zu werden, wenn etwas nicht „richtig“ laufe, nehme sie das alles in Kauf.
Auch, dass ihre Mutter sie seit dem neunten Lebensjahr an Männer verkaufe und sie dazu zwingt, mit ihnen Geschlechtsverkehr zu haben — bis heute. Zweifel an der Geschichte gibt es nicht. „Ihre persönliche Beraterin hilft ihr inzwischen, diesem Martyrium zu entkommen“, beschreibt Dietz.
Die Internetberatung wird finanziert von 34 Ortsvereinen. An vier Tagen in der Woche finden zu festen Zeiten Beratungschats von hauptamtlichen Mitarbeiterinnen statt. Die Immunität ist gewahrt. Das schätzen die Besucherinnen. Im vergangenen Jahr nutzten 1684 Frauen diese Möglichkeit, 95 waren in akuter Not.