Krefeld Friedhofsgärtner von Holtum: Für ihn gehört der Tod zum Beruf

Vor den stillen Feiertagen im November hat Torsten von Holtum besonders viel zu tun. Auch nach vielen Jahren gehören zur Arbeit als Friedhofsgärtner emotional schwere Momente.

Im Herbst gehört Laubkehren zu den Hauptarbeiten: Torsten von Holtum macht ein Grab auf dem Friedhof in Uerdingen „sauber“, wie es Friedhofsgärtner nennen.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Krefeld. Die Glocken der kleinen Kapelle auf dem Uerdinger Friedhof läuten, während Torsten von Holtum Herbstlaub von einem Grab kehrt. Zwischendurch blickt er immer wieder zu dem Gotteshaus. Sollte gleich eine Trauergemeinde an ihm vorbeiziehen, wird er kurz innehalten. Der Rechen wird ruhen, bis die Menschen in Schwarz den schweren Weg zum Grab ihres Angehörigen oder Freundes gegangen sind. Es sind auch diese Momente, die die Arbeit eines Friedhofsgärtners von der eines „normalen“ Gärtners unterscheiden. „Bei uns läuft alles sehr ruhig ab, was nicht langsam heißt“, sagt der Friedhofsgärtner, „es ist sehr viel Handarbeit, wir benutzen fast keine Maschinen.“

Abschiede gehören zum Leben, aber bei Torsten von Holtum gehören sie auch zum Beruf. Da ist vom Beratungsgespräch über die erste Gestaltung eines Grabes bis hin zur ganzjährigen Pflege viel Fingerspitzengefühl gefragt. Wenn der Bestatter seine Aufgabe schon lange erledigt hat, fängt die des 36-Jährigen und seiner neun Mitarbeiter an. Und dazu gehört neben der reinen Pflege und dem neuen Bepflanzen der Gräber je nach Jahreszeit auch die Begegnung mit den Trauernden.

„Wir erfahren über die Jahre oft ihre Geschichten.“ Dabei denkt er zum Beispiel auch an den älteren dementen Herrn, der manchmal auf einer Friedhofsbank sitzt. „Klar fragt man den, wenn man ihn sieht, ob es ihm gut geht“, sagt von Holtum, der seinen Zivildienst vor der Lehre in Bielefeld und der Meisterschule in Ludwigsburg in einem Altenheim absolvierte.

Besonders schwer ist der Umgang mit dem Thema Tod selbst für erfahrene Friedhofsgärtner, sagt von Holtum, „wenn junge Leute oder Kinder gestorben sind“. Das sei für alle schlimm. Da werde jemand „aus dem Leben gerissen, und das geht einem nah“. Da helfe nur, „es für die Hinterbliebenen so schön, hilfreich und einfach zu machen, wie es nur geht“.

Sein Rat an Kollegen und sein eigenes Credo sei: „Nach jeder Grabpflege, bevor man weggeht, dreht man sich noch einmal um und stellt sich vor, dass es das Grab eines Angehörigen wäre. Wenn es dann gut ist, kann man gehen“, sagt der Chef der Friedhofsgärtnerei von Holtum, der die Firma von seinen Eltern Peter und Hildegard übernahm, die in den 1970ern am Neudornbuschweg in Traar mit damals 30 Pflegegräbern anfingen. 1999 kam das Gelände der ehemaligen Stadtgärtnerei an der Friedensstraße in Uerdingen hinzu. Seit 2012 ist der „Junior“ hier der Chef. Heute pflegen er und sein Team rund 2500 Gräber auf allen Krefelder Friedhöfen.

In den Wochen vor den stillen Feiertagen im November — Allerheiligen, Volkstrauertag und Totensonntag — haben die Friedhofsgärtner ganz besonders viel zu tun. Ausgerechnet in der Zeit, in der der Kampf gegen das Herbstlaub am größten ist, sollen die Gräber und Friedhöfe besonders gepflegt sein.

Außerdem hat die Firma von Holtum noch bei einer Ausschreibung der Stadt den Auftrag erhalten, 200 Gräber auf dem Hauptfriedhof einzuebnen. Da ist das ganze Team ausgelastet. Einerseits ist das gut fürs Geschäft, andererseits beobachtet von Holtum, der „mit Leib und Seele Friedhofsgärtner ist“, wie er sagt, diese Entwicklung mit Sorge. „Das nimmt zu, dass Leute schon nach 30 Jahren die Ruhezeit nicht mehr verlängern.“ Es sei nicht schön, dass es schon Friedhöfe gebe ohne Friedhofscharakter, weil auf ihnen mehr Freiflächen zu sehen seien als Gräber.

Aus seiner Sicht gibt es eine zunehmende Schere in der Friedhofskultur. „Es gibt die Menschen, die ein möglichst schlichtes Grab, vielleicht sogar ein anonymes haben wollen“, erzählt von Holtum, „das sind oft ältere Leute, die sich dazu schon vor dem Tod entscheiden, weil sie zum Beispiel den Kindern nicht zur Last fallen wollen.“

Das andere seien die Jüngeren, „die für ihre Angehörigen sehr viel Wert auf individuell gestaltete Gräber legen“. Da hat der Friedhofsgärtner auch schon einen Stein vom geliebten Koi-Teich des Verstorbenen in die Grabgestaltung einbezogen oder die Deko-Kugeln, die eine Frau viele Jahre auf ihrer Fensterbank zu Hause liegen hatte.

Es gebe eine ganze Generation, etwa zwischen 45 und 55, die sich nicht mit dem Tod beschäftigen wolle, sagt von Holtum. „Ich finde, dass wir das Gespräch über den Tod wieder in die Gesellschaft zurückholen müssten. Früher wusste in den Familien doch jeder, was sich jemand im Todesfall wünscht.“