Historiker aus Krefeld auf Friedensmission in Kolumbien
Stephan Miethke (58) hat in Südamerika eine zweite Heimat gefunden. Er arbeitet im Auftrag der Bundesregierung für eine katholische Einrichtung.
Krefeld. „Wenn einer von euch bleiben will: Arbeit habe ich genug, Geld nicht“. Das sagte 1988 Bischof Luis Serna Alzate aus Florencia zur Gruppe junger Kolumbien-Besucher aus dem Bistum Aachen. Die Worte des „linken“ Würdenträgers, der später wegen seiner Vermittlungen in diversen Entführungsfällen vom Staat verdächtigt wurde, Schatzmeister der kolumbianischen Guerilla-Bewegung zu sein, ließen Stephan Miethke nicht mehr los.
Der gebürtige Uerdinger, mit sechs Geschwistern in Linn aufgewachsen, arbeitete damals als Referent für Öffentlichkeitsarbeit beim Diözesanrat in Aachen. Dieses Bistum pflegt mit Kolumbien eine Partnerschaft seit 50 Jahren, finanziert dort die Ausbildung von Priestern, meist Söhnen aus minder betuchten Familien, die sich ein Studium ihrer Kinder nicht leisten können. Es bietet zudem jungen Menschen ein freiwilliges Jahr in sozialen kolumbianischen Projekten an.
1990 war Miethke zum zweiten Mal in Kolumbien, diesmal zwei Monate lang und auf eigene Kosten. „Das schönste aller südamerikanischen Länder“, findet der 58-Jährige, der Geschichte, Linguistik und Literaturwissenschaft studiert hat.
Ein Jahr später bewilligte die Bistumsspitze ihm eine Stelle als Mitarbeiter der Sozialpastorale. Stephan Miethke stieg in die Weiterbildung von Kolumbianern in die katholische Soziallehre ein, organisierte zehn Jahre lang Kurse und half beim Aufbau einer Stiftung für bedürftige Kinder von Landarbeitern.
Eine Zeit, in der Entführungen an der Tagesordnung waren, Guerilla und das von Großgrundbesitzern finanzierte Paramilitär sich gegenseitig bekriegten, aber im Drogenhandel mehr oder weniger friedlich koexistierten. Die kolumbianische Regierung rüstete ihre Armee auf, bis 460 000 Mann unter Waffen standen. Genützt hat es freilich nichts.
Nach einem neunjährigen Intermezzo wiederum als Referent des Diözesanrates und zusätzlich des Generalvikariates in Aachen — diesmal aber mit gleich acht Aufgabenbereichen — kehrte Stephan Miethke vor zwei Jahren nach Kolumbien „heim“. Diesmal aber im Auftrag der Bundesregierung als Berater bei der katholischen „Arbeitsgemeinschaft für Entwicklungshilfe e.V.“ (AGEH).
Ziel dieses zivilen Friedensdienstes ist es, in den Krisengebieten der Welt das zivile Engagement beim Aufbau einer friedlichen Gesellschaft zu stärken.
„Ich fliege viel durchs Land“, berichtete der Uerdinger bei seinem jüngsten Besuch seiner Eltern, die in Bockum leben. Er berät regionale Kommissionen zum Beispiel in der Frage, wie mit ehemaligen Guerilleros umgegangen werden soll, die „nach jahrelangem Untergrundkampf aus dem Busch herausgekommen sind und nun unter Menschen leben, die nicht auf andere geschossen haben“.
Denn anders als Vorgänger Alvaro Uribe Velez setze der gegenwärtige Präsident Kolumbiens, Juan Manuel Santos, nicht auf militärische Lösungen, sondern auf Verhandlungen — und liegt damit auf dem Kurs der Kirche. Der innerkolumbianische Konflikt ist so alt wie die Partnerschaft des Bistums Aachen mit dem Land — fünf Jahrzehnte. „Anfangs waren es Bauern, die gegen Ungerechtigkeit aufgestanden sind“, erinnert der Historiker an den Beginn der kolumbianischen Krise, die er „Bürgerkrieg“ nicht nennen mag. „Die Menschen sind interessiert daran, wie sich die Deutschen nach 1945 mit ihren einstigen Feinden ausgesöhnt haben“. Und so hält Miethke Vortrag um Vortrag — vor Politikern, Kirchenfürsten und Verwaltungsleuten. „Es ist eine politische Arbeit“.
Mit dieser ist er sichtlich zufrieden. Er bewohnt in der Acht-Millionen-Metropole Bogotá eine geräumige Wohnung, fährt einen vom Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklungshilfe finanzierten Dienstwagen und kann alle neun Monate die Eltern in Krefeld besuchen. Zwischendurch kommuniziert er via Skype mit Mutter Ursula, die mit der Internet-Telefnoie trotz ihrer 81 Lenze kein Problem hat.
Seinen Ruhestand plant Stephan Miethke allerdings in Kolumbien. „Eine Finca in der Kaffeeregion von Líbano und Honda, das wär’ was. In 1600 Meter Höhe ist immer Sommer.“ Die 2600 Meter hoch gelegene Hauptstadt Bogotá ist ihm zu kühl: „So wie in Krefeld an einem warmen Oktobertag“.