Im Schatten des Stahlwerks
Von Industrie-Charme keine Spur: Der Stadtteil im Süden ist grün und ruhig.
Krefeld. Einen Nachnamen mit größerem Krefeld-Bezug kann man nicht haben. „Einer meiner Ahnen war wirklich der Meister Ponzelar, der heute als Bronze-Statue auf dem Südwall steht“, sagt Carola Ponzelar-Reuters lachend. „Deswegen wollte ich nach der Hochzeit auf keinen Fall wie mein Mann heißen.“
Seit mehr als 21 Jahren lebt die Lehrerin in Stahldorf und ist dort mindestens genauso bekannt wie ihr Vorfahre. Jeder, der ihren Weg kreuzt, grüßt sie herzlich. Doch als damals der Umzug von Bockum in den Krefelder Süden anstand, haben die heute 57-Jährige und ihr Mann erst einmal gezögert.
„Anfangs waren wir von dem Gedanken, direkt am Stahlwerk von Thyssen-Krupp Nirosta zu wohnen, nicht so begeistert“, erinnert sie sich. „Doch heute ist der Stadtteil unsere Heimat und wir fühlen uns pudelwohl hier.“
Carola Ponzelar-Reuters kennt die schönen Seiten von Stahldorf, das von den meisten Krefeldern nur als Industriestandort wahrgenommen wird. Als Treffpunkt für den Spaziergang hat sie das Jugendzentrum Stahlnetz an der Oberschlesienstraße gewählt.
Die Fassade ist frisch gestrichen, zwei große Schilder aus Edelstahl glänzen in der Sonne. „Das ist das schönste Haus im Ort“, findet Ponzelar-Reuters — und gibt zu, dass sie dabei nicht ganz objektiv ist.
Denn als erste Vorsitzende des Fördervereins für Kinder- und Jugendarbeit Stahldorf hat sie maßgeblich dazu beigetragen, dass das Jugendzentrum von einem kleinen Bauwagen in das große sanierte Gebäude ziehen konnte. „Geschafft haben wir das aber nur dank Thyssen“, sagt sie. „Das Unternehme ist unser größter Sponsor.“
Das Haus ist Ende des 19. Jahrhunderts gebaut worden und gehört damit zu den ältesten im Ort. „2012 feiert das Stahlwerk sein 100-jähriges Bestehen“, berichtet Ponzelar-Reuters.
„An der Oberschlesienstraße sind damals die ersten Häuser für die Arbeiter entstanden.“ Und so finden sich auch noch heute an vielen Gebäuden Bilder, die die der Arbeit im Stahlwerk darstellen
Über die Vulkanstraße, die den Stadtteil in einen neuen und einen alten Teil trennt, geht es Richtung Osten zum Limbourgplatz — und bereits hier wird deutlich: Stahldorf ist grüner, als es der Name vermuten lässt. „Wir haben viele kleine Parkanlagen“, sagt Ponzelar-Reuters. „Und natürlich den großen Fischelner Stadtpark vor der Tür. Er erstreckt sich von der Remscheider bis zur Kimplerstraße.“
Vor allem die vielen Kinder können sich hier oder auf einem der zahlreichen Spielplätze nach Herzenslust austoben, ohne dass es jemanden stört. „Wenn zum Beispiel die Spielaktion Mobifant nach Stahldorf kommt, rennen bis zu hundert begeisterte Kinder jeden Tag dorthin“, sagt die engagierte Jugendförderin. „Und wenn es dabei mal lauter wird, beschwert sich darüber niemand.“
Auch dass Deutsche, Türken, Griechen, Russen und Menschen aus vielen anderen Nationen auf engen Raum miteinander leben, scheint in Stahldorf kein großes Thema zu sein. „Bei uns ist Multikulti kein Problem“, sagt Carola Ponzelar-Reuters.
„Doch natürlich stellt uns die bunte Mischung auch vor Herausforderungen. So kann man zum Beispiel den Bereich rund um die Remscheider Straße mit den großen Hochhäusern als sozialen Brennpunkt bezeichnen.“
Einen ganz anderen Eindruck macht die sogenannte Neulandsiedlung nördlich der Vulkanstraße, die erst in den 1950er Jahren entstanden ist: Hier stehen vornehmlich Einfamilienhäuser mit zum Teil riesigen Grundstücken. Still und idyllisch ist es hier, ein Gewirr aus Sackgassen und verkehrsberuhigten Einbahnstraßen lässt selbst ortskundige Menschen kurzzeitig die Orientierung verlieren.
Das Werk von Thyssen-Krupp Nirosta ist jedenfalls fast keinem Stahldorfer ein Dorn im Auge. „Ohne das Werk, gäbe es kein Dorf“, lautet das einfache Resümee von Carola Ponzelar-Reuters. „Und so schimm kann es mit den Emissionen gar nicht sein: Überall hört man die Vögel zwitschern, und selbst einen Storch habe ich kürzlich gesichtet. “