Oldtimer-Serie: Im Rolls-Royce zum Supermarkt

Die WZ stellt in einer Serie seltene, betagte und extravagante Karossen vor. Für Edward Summers ist sein Phantom I aus dem Jahr 1927 auch ein Auto für den Alltag.

Foto: Dirk Jochmann

Krefeld. Edward Summers spricht häufig von der Hölle. Genauer gesagt, von darin reservierten Nischen, die für Menschen freigehalten werden, die einen altehrwürdigen englischen Rolls-Royce nicht zu würdigen wissen. Oder — schlimmer noch — für diejenigen, die einen solchen Wagen besitzen, ihn aber nicht entsprechend behandeln.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Sein eigenes Modell stammt aus dem Jahr 1927, es trägt die Bezeichnung Phantom 1 - ein fast sechs Meter langer und rund 2,6 Tonnen schwerer Bolide in Mintgrün, mit einer Karosserie, deren Form stark an eine Kutsche erinnert.

Foto: Jochmann, Dirk (dj)

Tatsächlich sind viele Modelle, die die Autohersteller zu Beginn des 20. Jahrhunderts entworfen haben, noch stark von den Handwerkskünsten der ehemaligen Kutschenbauer geprägt. Darin begründe sich auch die Exklusivität der Autos, so Summers. In Handarbeit und mit enormer Sorgfalt seien damals noch fast alle Einzelteile per Hand gefertigt worden.

Foto: Rolls Royce Phantom

Edward Summers: „Rolls-Royce stellte für seine Modelle jeweils die Chassis her, die Aufbauten — angeschraubte Rahmenkonstruktionen aus Holz — lieferten einige wenige Firmen in England, die darauf spezialisiert waren.“ So, wie der Rolls-Royce von Summers in einer Bockumer Garage steht, ist das Fahrzeug also ein echtes Unikat.

„Jeder Kotflügel wurde einzeln aus Aluminium gefaltet, bis er passte — es gibt weltweit keine zwei baugleichen Fahrzeuge dieser Automarke“, sagt Summers. Gerade dieses Individuelle, das seinem Oldtimer anhaftet, macht den 65-jährigen Krefelder mit britischen Wurzeln so stolz auf sein Gefährt.

Summers präsentiert Kopien der sogenannten Build Sheets, den original Konstruktionsplänen, die einen Besitzer in die Lage versetzen, von allen verbauten Teilen bis hin zu jedem Vorbesitzer alle Details des Automobils lückenlos zurückzuverfolgen. „Das macht aus einem Rolls-Royce ein lebendiges Stück Zeitgeschichte. Wer diese Dokumente verliert, kommt in die Hölle“, sagt Summers. „Denn ein Rolls-Royce ist der Maßanzug unter den Automobilen.“

Als technischer Assistent einer englischen Metallverarbeitungsfirma ist der Oldtimer-Liebhaber einst aus Birmingham nach Krefeld gekommen. „Als Aushilfe, das sollte drei Wochen dauern“, erinnert er sich. Daraus sind 30 Jahre geworden. Heute lebt er mit seiner Frau Sabine im Hülser Norden. Das altehrwürdige Auto stellt für Edward Summers auch ein Stück Heimat dar.

Dort, in Südengland, hat er auch seinen Phantom 1 gekauft. Einen „relativ großen Teil des Erbes seines Vaters“ habe er darin investiert, sagt Edward Summers unkonkret zum Anschaffungspreis des Wagens. Dass Wissen um die Kostspieligkeit, die der Besitz eines solchen Fahrzeugs mit sich bringt, hinderte Summers jedenfalls nicht daran, den Wagen 2009 zu erstehen.

Und ebenfalls nicht daran, den Wagen seitdem auch regelmäßig im Alltag zu nutzen — bis hin zur Einkaufsfahrt zum Supermarkt. Für reine Sammler, die ihre alten Autos nur pflegen, aber nie nutzen, hat der 65-Jährige kein Verständnis. Zu Oldtimer-Treffen wie den „Classic Days“ bei Grevenbroich, wo Edward und Sabine Summers samt Hund Taylor regelmäßig zu Gast sind, lädt er andere ein, sich von seinem Rolls-Royce bezaubern zu lassen.

Leute, die immer nur „Finger weg!“ rufen, haben Summers Ansicht nach einen „Platz in der Hölle“ sicher. Regelmäßig überführt der Oldtimer-Fan seinen Rolls-Royce im Winter in eine Spezialwerkstatt nach England. „Dort befindet sich der größte Markt für diese Wagen“, sagt Summers. Darum ließen sich dort auch die besten Spezialisten für die zeitaufwendigen und komplexen Wartungsarbeiten finden. „Ein solches Automobil muss mit der entsprechenden Sorgfalt behandelt werden“, sagt Summers.

Dass sein Fahrzeug die erhält, sieht man dem Wagen an. Trotz seiner stolzen 87 Jahre vermittelt der Wagen den Eindruck eines werkneuen Fahrzeugs. Technische und mechanische Elemente — alles funktioniert einwandfrei.

Der Startvorgang bei dem Rolls-Royce nimmt aufgrund der zuvor einzustellenden Hebel wie Vergaser und Benzinzulauf gut fünf Minuten Arbeit in Anspruch, danach schnurrt der Antrieb ruhig wie ein Kätzchen — gleichzeitig vermitteln die etwa 95 PS in dem leise brummenden 8000-Kubik-Motorblock die Ausdauer eines kleinen Kraftwerks.

Als der Motor läuft, rückt sich Summers die Kappe auf dem Kopf zurecht, schließt die linke der beiden Motorhauben und klappt das schwarze Verdeck des Phantom 1 zurück hinter die Rückbank. Dann setzt sich Summers hinter das große Lenkrad auf der rechten Fahrzeugseite — und steigt wieder aus. „The Spirit of Ecstasy“, stößt er hervor. Er geht zur Motorfront und richtet den Kopf der als „Geist der Verzückung“ bezeichneten Kühlerfigur in Fahrtrichtung aus.

Für Edward Summers ist klar: Sollte er sich je mit seinen Rolls-Royce in Bewegung setzen, ohne dass die Messingskulptur in Form einer nackten Frau mit Flügeln nach vorne blickt — dann fährt er auf direktem Weg in die Hölle.