Vorführer: Der Mann im Hintergrund muss jeden Film noch kleben
Imad Assaf ist jeden Abend für Ton und Bild auf Rennbahn verantwortlich.
Krefeld. Als sich der letzte Spot dem Ende neigt, wird es in einem der Räume hinter der Tribüne noch einmal kurz hektisch. Denn die kleine Werbefilmrolle muss gegen die große, rund neun Kilogramm schwere Spielfilmrolle getauscht werden — und das möglichst schnell, damit die Besucher des SWK-Open-Air-Kinos an der Rennbahn nicht allzu lange auf eine dunkle Leinwand schauen müssen.
Die Maschine, die den Film abspielt, heißt Kinoton FP 25, „ein etwas älteres Kinoprojektor-Modell“, wie Filmvorführer Imad Assaf erklärt. In den Kempener Lichtspielen, wo Assaf als Theaterleiter arbeitet, nutzt er sonst den FP 30. Der Film wird über zahlreiche Spulen ab- und dann wieder aufgewickelt. Er passiert dabei mit 24 Bildern pro Sekunde die Lichtquelle und die Tonausgabe. Denn auch die Tonspur ist als grüner Streifen auf dem Film gespeichert.
Mit all diesen technischen Details kennt sich Imad Assaf sehr gut aus. Doch seinen Zauber hat Kino deshalb für ihn nicht verloren. „Filme waren schon immer meine Leidenschaft“, sagt der 35-Jährige. „Und im Kino wirken sie einfach ganz anders als zu Hause, mag der Fernseher noch so groß und scharf sein. Das Flair ist einfach nicht dasselbe.“
Bereits in seiner Schulzeit hat er als Platzanweiser in dem Traditionskino am Kempener Buttermarkt gearbeitet. Eigentlich wollte er nach seinem Abitur Betriebswirtschaftslehre studieren, doch Inhaber Frank Janssen bot ihm eine Alternative an: „Ich habe Kino von der Pike auf gelernt“, sagt Assaf. „Ich war Filmvorführer, jetzt habe ich die Leitung des Hauses inne.“
Am Anfang hat Assaf durchaus Startschwierigkeiten gehabt, und auch die eine oder andere Panne ist ihm in dieser Zeit passiert: Die peinlichste hatte sogar dramaturgische Konsequenzen: „Man muss wissen: Die Filmstreifen werden in einem Paket geschickt und sind wie ein Buch in mehrere Akte gegliedert“, erklärt er. „Der Filmvorführer muss sie in der richtigen Reihenfolge zusammenkleben und zur Rolle aufwickeln. Und ich habe dabei einmal zwei Akte vertauscht. Plötzlich tauchte eine Figur, die eigentlich schon tot war, wieder auf.“ Wie in Tarantinos „Pulp Fiction“ — nur ungewollt.
Mittlerweile ist Assaf so routiniert, dass er die Filme im Schlaf auswechseln und schneiden könnte. Außerdem gibt es kein Problem an seinen Projektoren, was er nicht selber beheben kann. Dabei muss er zwar auch schon mal tief in die Improvisationskiste greifen, aber gut gegangen ist es bisher immer.
„Einmal habe ich die klemmende Bildklappe mit einem Kabelbinder festgemacht, ein anderes Mal einen lockeren Knopf mit einem Streichholz fixiert“, berichtet er lachend. „Und als der Vorhang bei einer Vorführung von ,Independence Day’ nicht aufgehen wollte, habe ich ihn einfach runtergerissen. Da bekam ich die erste Umarmung von meinem Chef.“
Doch der Beruf des Filmvorführers hat sich in den vergangenen Jahren stark verändert. Der Grund dafür ist die Umstellung auf digitale Technologie. Filme und Werbung müssen nicht mehr geschnitten werden, sie werden einfach auf einer Festplatte angeliefert. „Zwei drei Mausklicks und man ist fertig“, sagt Assaf. „Was früher mindestens eine halbe Stunde gedauert hat, ist jetzt in zehn Minuten fertig.“
Und Assafs handwerkliche Fähigkeiten bringen bei den digitalen Projektoren nichts mehr. „Wenn es mit denen Probleme gibt, dann sind sie gravierend“, erklärt er. „Dann ist der Server oder die Grafikkarte kaputt oder es gibt Ärger mit der Software. Langsam fasse sogar ich Vertrauen zu den neuen Geräten.“
Das Open-Air-Kino wird nächstes Jahr wohl ebenfalls auf die digitale Technik umsatteln, dieser Fortschritt ist eben einfach nicht mehr aufzuhalten. Aber ob Imad Assaf in dem kleinen Raum hinter der Tribüne Filmrollen auswechselt oder einen Computer bedient, wird der Zuschauer nicht merken. „Ob analog oder digital: Der Filmgenuss im Open-Air-Kino bleibt etwas ganz Besonderes.“