Waschen, Schneiden, Legen — und das fast wie vor 50 Jahren

Im Friseursalon Eichholz ist die Zeit offenbar stehengeblieben. Manche Kunden kommen seit mehr als einem halben Jahrhundert.

Krefeld. Ingrid und Willi Eichholz sind ein Herz und eine Seele — meistens! Gäbe es da nicht die Zeit, in der in Krefeld zwei bedeutende Vereine um die Vorherrschaft auf dem Eis kämpften: der KEV und Preussen Krefeld. Ingrid war Feuer und Flamme für den KEV, Willi tendierte mehr zu den Preussen. Spielten beide Mannschaften gegeneinander, saß Ingrid mit ihren Freuden in dem einen, Willi mit seinen Kumpels im anderen Block. Erst als die Preussen 1971 den Spielbetrieb in der Rheinlandhalle einstellten, hing — sportlich — der Haussegen bei Eichholz wieder gerade.

Foto: Andreas Bischof

Ohnehin ist Zwist eher die Ausnahme in dieser Ehe. Denn die alten Leutchen ( sie ist 76, er 77 — „’ne schöne Zahl“) betreiben am Nordwall gemeinsam einen Friseursalon, der im kommenden Jahr 120-jähriges Jubiläum feiert. Hier ist Teamarbeit gefragt, zumal von den früheren Angestellten keiner mehr übrig geblieben ist. Willi Eichholz: „Die Brigitte war 15 Jahre bei uns und hat vor fünf Jahren als letzte unserer Friseusen aufgehört.“

„Hier war früher immer richtig was los“, ergänzt Ingrid Eichholz: „Die meisten Mädchen blieben etwa 15 Jahre. Erst wenn sie geheiratet und Kinder bekommen haben, war Schluss.“ Im Damensalon im hinteren Bereich werkelten einst fünf Friseusen, darunter Willis Mutter. Vorne am Eingang, hinter der ovalen Theke und der Trennwand mit den Duftwässerchen, schwangen drei gestandene Friseure die Scheren.

Ingrid Eichholz ist „nicht vom Fach“. Sie hat in der Krefelder Krawattenfabrik „Pasch“ Näherin gelernt. Und dann kam der Willi mit seiner Vespa und lud die Ingrid zu einer Spritztour nach Frankfurt ein. 1961 läuteten die Hochzeitsglocken. Schwiegermutter hatte da schön längst erkannt: „Mädchen, Du musst zu uns ins Geschäft!“

Willi Eichholz’ Großvater Wilhelm hatte den Salon gegründet. Zunächst auf der Hubertusstraße, dann „wollte ein Kunde, der bei Gericht arbeitete, sein Haus auf den Nordwall verkaufen“. Wilhelm Eichholz schlug zu, das war um das Jahr 1900.

Damals ein Wohnhaus, hatte das Gebäude zur Straße hin nur kleine Fenster. Die wurden 1955 gegen eine große Scheibe ausgetauscht. 1958 bauten die Geschäftsleute innen um — und so sieht der Salon immer noch aus. Mal abgesehen von moderneren Waschbecken, Spiegeln und Stühlen ist alles noch im Originalzustand. Im Bereich der Herren steht noch der Kinderstuhl, der per Fußdruck zum Fahrstuhl wurde. Dass die Bengel nicht laufen gingen, verhinderte ein Gurt.

So offen sich die Herren gaben, so geschlossen war die Damenabteilung. Jede „Kabine“ kann heute noch mit blickdichten Vorhängen gegen die anderen Kundinnen abgeschirmt werden. „Damals wollten die Damen nicht, dass ihre Nachbarinnen sahen, wie die Haare gefärbt wurden. Heute bleiben die Kabinen offen. Jede Kundin kann sehen, was läuft“, meint Willi Eichholz.“

Im Gespräch verfallen Ingrid und Willi Eichholz immer wieder in „kriewelsch Platt“. Wenn die alten Stammkunden kämen, werde kein Hochdeutsch geredet: „Wir haben Kunden, die können nur Platt“, sagt Ingrid Eichholz. Und dann sei die Atmosphäre richtig gemütlich. Das Wort Stress ist den beiden Handwerkern fremd. Sie lassen es ruhig angehen.

Natürlich kommen nicht mehr so viele Kunden. Viele sind verstorben, viele im gleichen Alter wie die beiden Inhaber. Zum Teil sind sie seit über 50 Jahren Stammkunden. Der Bäcker, der Schuster in der Nordwall-Nachbarschaft — alle sind weg. Nur Ingrid und Willi Eichholz bleiben. Und wollen in ihrem Salon noch lange weiter schneiden, wenn es die Gesundheit erlaubt.