Zeichnungen: Ein Biografischer Schatz aus dem 19. Jahrhundert
Die Krefelderin Clara Wansleben, geboren 1859, hat ihr Leben in Zeichnungen festgehalten.
Krefeld. Erinnerungen lassen sich in vielerlei Form gießen: Tagebücher, Briefe, Fotos. Ungewöhnlicher ist der Weg, Ereignisse mit dem Zeichenstift für die Nachwelt festzuhalten. Genau das hat die Krefelderin Clara Wansleben getan. Die Redaktion der Zeitschrift "Heimat" hat diesen biografischen Schatz nun gehoben.
Wansleben wurde am 7. September 1859 geboren und starb am 7. Dezember 1943. Der Todestag dieser Frau aus guter Krefelder Familie jährt sich also 2010 zum 67. Mal. Als Zwölfjährige hat sie damit angefangen, Szenen aus ihrem Leben zu zeichnen. Daraus entstand ein Buch mit 75 Bleistiftzeichnungen, liebevoll koloriert.
Am 29. Dezember 1871 hat sie vermutlich die erste Zeichnung angefertigt. Man kann sich also gut vorstellen, dass das Buch ein Weihnachtsgeschenk war.
Clara Wansleben hat einen feinen Strich und einen Sinn für Proportionen. Ihre Zeichnungen lassen die Zeit nach der Reichsgründung im familiären, großbürgerlichen Rahmen erstehen. Da sind die Familienmitglieder bei alltäglichen und besonderen Ereignissen zu sehen: Der Geburtstag wird mit Bowle gefeiert, alle Cousins und Cousinen treten zur Gratulationscour an. Der Jubilar ist kurioserweise nicht zu sehen. Überhaupt sind wenige Männer auf den Zeichnungen. Das bürgerliche Familienleben spielte sich zu Hause und mit der engeren Verwandtschaft ab, die Väter erwirtschafteten das Geld.
Auf einer Zeichnung ist ein bärtiger Mann dabei, kleine Geschenke und Lorbeerkränze an die Kinderschar zu verteilen: Väterliches Lob am Sonntag. An einem anderen, ganz besonderen Sonntag macht die Familie einen Ausflug an den Rhein - und man sieht Berge im Hintergrund.
Sehr schön zu sehen ist auch die Mode jener Zeit. Kleine Schwestern tragen oft Kleider aus gleichen Stoffen, und auch die Puppen sind schön gekleidet. Das versteht sich ja auch von selbst in einer Stadt wie Samt und Seide. So gehört auch der Umgang mit Nadel und Faden zu den Fertigkeiten der kleinen Mädchen.
Sie lernen auch andere Dinge im Haushalt, etwa das Klavierspielen. Beim "Kleinen Salonkonzert" musiziert ein Junge: Er kommt mit den Beinen gar nicht an den Boden. Auch das ist ein typisches Merkmal der Zeichnungen: Clara Wansleben betrachtet ihre Umgebung liebevoll genau und mit feinem Humor.
Die 81. Ausgabe der Zeitschrift "Die Heimat" ist erschienen. Herausgeber ist der Verein für Heimatkunde. Das Heft ist im Handel erhältlich.