Fall Mirco: Der Schrei aus dem Maisfeld
Nach den Ergebnissen des Schallgutachtens konzentriert sich die Suche auf das Kloster.
Grefrath. Kinderschreie hallen durchs Maisfeld. Wie weit sind sie zu hören? Wie präzise sind die Angaben der Zeugen, die nahe dem Kloster Mariendonk am Abend des Verschwindens von Mirco (11) am 3. September gegen 22 Uhr einen Schrei gehört haben wollen?
Mit Schalltests simulieren Wissenschaftler die Situation, stellen nach, wie es gewesen sein könnte an diesem Abend, an dem die Nation beim Fußball-Länderspiel Belgien-Deutschland vor dem Fernseher saß, während ein kleiner Junge wahrscheinlich Opfer eines Sexualverbrechens wurde. Eine junge Frau hatte sich erst Wochen nach Mircos Verschwinden erinnert, dass sie an besagtem Abend einen Schrei nahe des Klosters gehört habe. Nach ihrer Aussage erinnerten sich drei weitere Zeugen an einen Schrei.
Aber woher kam dieser Schrei? Mit elektronischen, mechanischen und natürlichen Schallquellen simuliert das Team von Wissenschaftlern den Schrei. Stundenlang werden die Positionen gewechselt, der Luftdruck berechnet, die Windrichtung bestimmt. Mit verschiedenen Lautstärken versuchen die Gutachter, die Stelle zu orten, von der der Schrei kam.
Dann werden die vier Zeugen dazu gebeten. "Sie waren sehr kooperativ", sagt Polizeisprecher Willy Theveßen. Und ihre Aussagen stimmen überein: "Damit konnten wir den Bereich relativ präzise eingrenzen, aus dem der Schrei gekommen sein muss", sagt Theveßen. Das habe man so nicht erwartet.
Dass die Angaben der vier Zeugen übereinstimmen, stärkt auch ihre Glaubwürdigkeit. Für die Sonderkommission gewinnt diese Spur nun eine größere Bedeutung.
Allerdings wurde der ermittelte Bereich nahe des Klosters bereits von Hundertschaften der Polizei durchkämmt. Ohne Erfolg. Jetzt sollen in den nächsten Tagen Spürhunde in diesem Gebiet eingesetzt werden. Und Spezialisten, die gezielt nach Spuren suchen. Auf den Einsatz einer weiteren Hundertschaft will man verzichten, so Theveßen. "Das ist ja bereits passiert."
In der Frage, ob das Kloster und seine Bewohner eine Rolle im Verschwinden des elfjährigen Mirco spielen, gibt sich die Polizei zurückhaltend. "Dazu sage ich nichts", sagt Theveßen.
In der vergangenen Woche hatte die Polizei ihre Flächensuche mit Hundertschaften und Tauchergruppen für beendet erklärt. Man habe alle relevanten Gebiete durchkämmt. Damit war vielfach der Eindruck entstanden, die Suche nach Mirco werde beendet. "Das ist keinesfalls so", erklärte Theveßen gestern im Gespräch mit der Westdeutschen Zeitung. Im Gegenteil, die Arbeit der Kriminalisten in der Sonderkommission Mirco fange jetzt erst richtig an, man trete nun in die heiße Phase der Ermittlungen ein. Dazu soll die Kommission im Laufe der Woche nochmals um vier auf 59 Ermittler aufgestockt werden.
Unterdessen wies die Polizei nachdrücklich einen Fahndungsaufruf im Internet zurück. Dort war in zahlreichen Foren das Foto eines Paares veröffentlicht worden. Die Frau und der Mann sollten angeblich den vermissten Mirco an einer Bushaltestelle in Mönchengladbach gegen seinen Willen festgehalten haben. "Das ist absoluter Blödsinn", sagt Theveßen. Der Hinweis sei von den Ermittlern der Sonderkommission überprüft worden. Beide Personen seien völlig unverdächtig und stünden in keinster Weise in Zusammenhang mit dem Verschwinden Mircos.
Eindrücklich weist die Polizei darauf hin, dass auch im Internet der Schutz der Persönlichkeitsrechte gilt.