Kreuzfahrt - das Kirchentagsblog Christen in der AfD - geht das? Gespräche im Grenzbereich
Unser Reporter Ekkehard Rüger berichtet im Blog vom 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin. Am Donnerstagmorgen war er bei einer Diskussionsrunde zum Thema "Christen und die AfD". Bereits die Ankündigung hatte zu Protesten geführt.
Berlin. Geht das - mit Rechtspopulisten ins Gespräch kommen über ihr Verständnis des Christentums? Zumindest gibt es einen Bundesverband Christen in der AfD. Anette Schultner vertritt ihn an diesem Donnerstagmorgen in der evangelischen Sophienkirche. Es gibt die lange Tradition des Kirchentags, auch schwierigen Gesprächen nicht auszuweichen. Und es gibt Markus Dröge, Bischof der Evangelischen Kirche Berlin-Brandenburg-schlesische Oberlausitz, und die Münchner Juristin und Publizistin Liane Bednarz, die sich für die umstrittene Diskussion zur Verfügung stellen.
Nicht allen passt das. Vor der Kirche verteilt der Bonner Pfarrer Siegfried Eckert, selbst seit zehn Jahren mit Großveranstaltungen auf Kirchentagen vertreten, Flugblätter gegen die Veranstaltung. Noch nie habe er so viel Hassmails erhalten wie nach seinem Zeitungsartikel vor einem Jahr mit dem Titel: "Der Kirchentag braucht keine Alternative für Deutschland", erzählt er. Der Protest von ihm und seinen MItstreitern gegen die Diskussion sei eine "Zeichenhandlung", "wissend, dass man auch eine andere Position vertreten kann".
Innen bleiben die Zeichenhandlungen im Rahmen. Es gibt ein paar Zwischenrufe, mal wird das Lied "We shall overcome" angestimmt, um Schultner zu übertönen, die aber auch auf ein Grüppchen Unterstützer zählen kann. Ansonsten herrscht der spürbare Wille vor, die Veranstaltung nicht platzen zu lassen.
Dröge zeigt sich gut vorbereitet. Am persönlichen Beispiel verdeutlicht er die Propaganda-Strategie der AfD. Aus seinem auf der Landessynode geäußerten Satz, es sei Christenpflicht, sich kritisch mit den Thesen des Rechtspopulismus auseinanderzusetzen, habe die AfD den Vorwurf gemacht, er habe behauptet, es sei Christenpflicht, nicht in der AfD zu sein.
Und dann zitiert er aus einem Strategiepapier der AfD, wonach die Partei "vor sorgfältig geplanten Provokationen nicht zurückschrecken" solle. Ziel sei es, dass sachlich argumentierende Gegner selbst mit unsachlichen Argumenten reagieren. Kernthese des Papiers: Problemlösungen sind nicht notwendig, weil auch viele AfD-Wähler nicht erwarten würden, dass die Partei in der Lage sei, bestehende Probleme zu lösen.
Wie ist das mit der Nächstenliebe? "Wir lieben in der Regel das, was uns nahe ist", sagt Schultner. Nächstenliebe bedeute nicht: "Du musst jeden Menschen auf der Welt lieben wie dich selbst." Sie spricht von einer "konservativen Repräsentationslücke" im deutschen Parteienspektrum, das die AfD jetzt füllen wolle.
Diese Lücke sieht auch Bednarz. Aber das Denken in der AfD sei nicht konservativ, sondern völkisch. Die Juristin hält der AfD ihren Antisemitismus vor. "Wenn ein Schächtungsverbot für Deutschland gefordert wird und auch ein Importverbot für geschächtetes Fleisch, dann bedeutet das faktisch, dass Juden und Muslime in Deutschland nicht mehr leben können, weil sie ihre religiösen Traditionen nicht ausleben können."
Und dann ist da noch das Spiel mit der Angst. Verständlich, dass man deswegen Angst vor der AfD hat? "Vor dem Hintergrund der Dämonisierung, die gegen die AfD stattfindet, halte ich das für möglich", übernimmt Schultner gleich die typische Opferrolle. Hassmails verurteilt sie, ergänzt aber, "dass die Hetze gegenüber uns nicht weniger ist".
Dröge knüpft an den christlichen Dreiklang von "Glaube, LIebe, Hoffnung" an: Der stehe für Vertrauen, Nächstenliebe und die Überzeugung, mit Problemen fertig zu werden. "Die AfD dagegen schürt Ängste, sät Misstrauen und predigt Ausgrenzung." Für ihn gehe es nicht darum, AfD-Mitgliedern das Christsein abzusprechen, hatte er schon am Anfang gesagt. "Aber es geht um ein glaubwürdiges Christentum. Und es ist nicht glaubwürdig, sich als Christ der AfD zu engagieren, weil man dort als Feigenblatt missbraucht wird."