Katastrophe von Duisburg Ex-OB im Loveparade-Prozess: "Ich war an der Genehmigung nicht beteiligt"
Sein Umgang mit der Loveparade-Katastrophe hat Adolf Sauerland am Ende das Amt gekostet. Jetzt muss Duisburgs Ex-OB vor Gericht aussagen und weist jede Verantwortung von sich.
Düsseldorf. Er ist das Gesicht der Katastrophe. Als Adolf Sauerland (62) den Gerichtssaal „Außenstelle Landgericht Duisburg“ in der Düsseldorfer Messe betritt und am Zeugentisch Platz nimmt, wird er belagert von einer Schar Pressefotografen, wie er das nach seiner Abwahl 2012 als Duisburger Oberbürgermeister nicht mehr erlebt hat. Sauerland ist an diesem 27. Verhandlungstag der erste prominente Zeuge.
Nur als Zeuge muss er aussagen, nicht als Angeklagter, wie manche das gern gesehen hätten, die ihn für mitschuldig halten an der Loveparade-Katastrophe am 24. Juli 2010 mit 21 Toten und mehr als 560 Verletzten. Doch angeklagt sind bekanntlich sechs Mitarbeiter der Stadt und vier Mitarbeiter des Loveparade-Veranstalters Lopavent — wegen Planungsfehlern.
Solches Fehlverhalten hatte die Staatsanwaltschaft Sauerland nicht vorgeworfen. Angeklagt wegen Planungsfehlern sind seine ehemaligen Mitarbeiter, nicht aber er als ihr damaliger Chef. Und ihm droht auch keine Anklage mehr, da eine Strafverfolgung gegen ihn wegen fahrlässiger Tötung verjährt wäre. Weil sich Sauerland also juristisch nicht mehr selbst einer Strafverfolgung aussetzen würde — auch bei für ihn nachteiligen Aussagen — kann er aus diesem Grund nicht die Aussage verweigern. Er muss also nun als Zeuge alles sagen, was er weiß.
Sauerland hatte 2010 direkt nach der Katastrophe jede persönliche Verantwortung von sich gewiesen. In einem Interview vor zwei Jahren hatte er gesagt, dass er sich nichts vorzuwerfen habe, er habe die Loveparade nie gewollt. Nach der Katastrophe habe er sich bemüht, keine juristischen Fehler zu machen, und dabei „das Mitgefühl für die Angehörigen“ vergessen, sagte Sauerland damals. Er blieb noch 15 Monate im Amt als Oberbürgermeister, was ihm die Bürger übelnahmen und ihn schließlich abwählten.
Jetzt, im Prozess, sitzt der 62-Jährige ruhig da. Mit gefalteten Händen, ohne irgendwelche Unterlagen auf dem Tisch, schildert der Pensionär, wie die Loveparade nach Duisburg kam, dass Berlin sie nicht mehr wollte, dass sie im Wechsel in verschiedenen Ruhrgebietsstädten stattfinden sollte. Der Rat der Stadt Duisburg habe beschlossen, sich zu bewerben. Er selbst als Oberbürgermeister habe dann per „Projektverfügung“ den Ordnungsdezernenten federführend mit der Planung betraut, später sei das Planungsdezernat dazugekommen. Er selbst, Sauerland, sei nicht aktiv am Genehmigungsprozess beteiligt gewesen. „Ich hatte keine operative Aufgabe, musste keine Genehmigung vorbereiten, war zwar Ansprechpartner für alle von außen, aber aktiv nicht tätig“, sagt Sauerland.
Er erinnere sich, dass ein Diskussionspunkt gewesen sei, dass der Stadt Duisburg keine Kosten entstehen dürften. Und dass sich die damalige Oppositionsführerin im Düsseldorfer Landtag, Hannelore Kraft (SPD), zu Wort gemeldet habe, dass die Loveparade nicht an der Duisburger Leistungsfähigkeit scheitern dürfe.
Immer wieder wiederholt Sauerland auf Nachfragen von Richter Mario Plein, dass er an keiner Sitzung zu den Planungen teilgenommen habe. In Beigeordnetenkonferenzen und durch den Ordnungsdezernenten habe er vom jeweiligen Stand der Planungen erfahren. In der Woche vor der Loveparade habe er Urlaub in Österreich gemacht, sei auf 2000 Metern Höhe schlecht erreichbar gewesen. Auf der Rückreise habe ihn dann eine SMS seines persönlichen Referenten erreicht, dass die Genehmigungen erteilt seien und die Loveparade stattfinden könne.
Der Richter lässt Akteneinträge verlesen, die nahelegen könnten, das Sauerland doch näher in die Planung involviert gewesen sein könnte. So etwa ein Schreiben seines persönlichen Pressesprechers, in dem dieser anregt, den Panikforscher Michael Schreckenberg in die Planung mit einzubeziehen. Sauerland zuckt mit den Achseln, von der Einbeziehung Schreckenbergs habe er erst nach der Loveparade erfahren. Er wird immer wieder darauf angesprochen, dass sein Ordnungsamtsleiter doch mehrfach Bedenken gegen die Durchführung der Loveparade geäußert habe. Dass er dem OB sogar eine Brücke habe bauen wollen, aus dem Projekt auszusteigen — unter Verweis auf die hohen Kosten für die Stadt. Doch Sauerland winkt ab: Das sei kein Argument gewesen, weil ja klar gewesen sei, dass das Land NRW finanziell einspringen werde.
Wollte Sauerland also gar nicht aussteigen aus dem Projekt? Wie seriös ist seine spätere Aussage, er habe die Loveparade nie gewollt? Richter Plein hält ihm eine Anfrage aus einer Duisburger Ratssitzung aus dem Dezember 2009, ein halbes Jahr vor der Katastrophe, entgegen, in der die SPD im Stadtrat wissen wollte, ob der CDU-Oberbürgermeister für oder gegen die Durchführung der Loveparade sei. Dafür — war damals die Antwort im Rat. Und am Mittwoch kommentierte Sauerland das so: „Die Frage war gar nicht nötig, der Oberbürgermeister hatte schon 2007 zugestimmt — unter der Prämisse, dass es eine Genehmigung gibt.“ Da versteckt sich der Zeuge Sauerland hinter seiner damaligen Funktion — als wären das zwei Personen.
Sauerland hat noch viele Stunden Vernehmung vor sich, in denen Gericht, Staatsanwalt, Nebenkläger und Verteidiger die Aussagen Sauerlands auf mögliche Widersprüche abklopfen werden.
Der Prozess wird am Donnerstag fortgesetzt.