Jetzt steht die Frage nach dem Warum im Vordergrund
Die Staatsanwaltschaft ermittelt, die Verantwortlichen geben sich wortkarg. Panikforscher Schreckenberg hatte gewarnt.
Duisburg. Er wisse, dass die Frage nach dem Warum im Vordergrund stehe, sagt Duisburgs Oberbürgermeister Adolf Sauerland (CDU) sichtlich angeschlagen. Trotzdem ist er an genau diesem Punkt auffallend einsilbig.
Die Staatsanwaltschaft war bereits im Rathaus, hat das Sicherheitskonzept und die weiteren Unterlagen zur Loveparade beschlagnahmt. Deswegen will er sich zu den "individuellen Schwächen", die er nach dem Desaster am Samstag ausgemacht hatte, nicht mehr äußern. Er müsse auch seine Mitarbeiter schützen.
Das Damoklesschwert des Strafverfahrens hängt über den Köpfen. Viele Tote und Verletzte - die Pressekonferenz wird für Sauerland zum Spießrutenlauf. Polizei, Ordnungsamt und Veranstalter weisen Vorwürfe zurück, wollen von Warnungen schon Monate zuvor nichts wissen. Er persönlich sei gar nicht in die Planung eingebunden gewesen, sagt Sauerland. Und der Vize-Polizeipräsident bestreitet, dass es eine Massenpanik gab.
Nur Panikforscher Michael Schreckenberg, der in die Planung der Loveparade einbezogen war, steht Rede und Antwort und bekennt: "Wir haben gewarnt, aber wir hätten vielleicht stärker warnen müssen." Der Professor verrät, dass das Sicherheitskonzept keineswegs von 1,4 Millionen Menschen ausging, sondern von maximal 500.000 - verteilt über die Stadt.
Der Tunnel, an dessen Rampe die meisten Menschen starben, habe aber nur eine Kapazität von 20.000 Menschen pro Stunde. Bis zu 250.000 Raver sollten durch dieses Nadelöhr auf das Gelände geschleust werden - und wieder hinunter.
Er habe den Veranstaltern zuvor gesagt: "Wenn der Tunnel die Lösung ist, muss das bis ins Letzte durchgeplant werden." Das Tunnelmanagement sei Sache des Veranstalters gewesen. Es würde dort zu Überlappungen von anströmenden und abströmenden Menschenmassen kommen. Er habe auch eine Videoüberwachung der Rampe angeraten, der Veranstalter habe dies aber abgelehnt, wollte kein Chaos unterschiedlicher Informationen.
Auch hätte die Treppe an der Rampe, an der die meisten Toten gefunden wurden, besser abgeschirmt, "vielleicht sogar besser gesprengt werden sollen". Wo Menschen sich dicht gedrängt stauen, suchen sie schließlich nach Auswegen. Schreckenberg sieht "Schuldige auf beiden Seiten". Er meint damit auch risikofreudige Kletterer unter den Besuchern, lässt aber indirekt erkennen, dass die Planung zwar "bestens" gewesen sei, die Ausführung - das "Tunnelmanagement" des Veranstalters - aber das Problem gewesen sein könnte.
"Wenn der Tunnel geschlossen wird, sollten die Notausgänge geöffnet werden", sagt er. Außerdem bräuchten die Menschen Ansprache, dann verhielten sie sich auch in solchen Situationen kooperativ. "Die Menschen brauchen eine Perspektive, dass und wann es weitergeht. Dann bleiben sie ruhig", weiß der Forscher. Aber letztlich haben 4.000 Polizisten und 1.000 Ordner nicht gereicht, um die Katastrophe zu verhindern. Den Schlusspunkt unter die 19. und letzte Loveparade wird die Justiz setzen.