" Warum schauen die Polizisten nur zu, warum kommt denn keine Hilfe . . . ?"

Love Parade in Duisburg: Elke und Klaus Nauen aus Uerdingen konnten sich aus der Katastrophe am Samstag ganz knapp retten. Elke Nauen schrieb an die WZ:

Mein Mann Klaus und ich sind um 15.00 Uhr mit den Zug von Uerdingen nach Duisburg zur Loveparade gefahren. Wir sind Mitte 40 und wollten dieses Event unbedingt miterleben.

Als wir gegen 15.30 Uhr am Bahnhof Duisburg ankamen haben wir uns schon gewundert, dass die Leute immer noch große Flaschen bei sich trugen. Die Straßen waren so abgeriegelt, dass man auf keinem anderen Weg laufen konnte. Am Anfang waren diese Straßen breit - aber im immer enger werdenden Wohngebiet wurde es in der Menschenmasse immer enger. In der Nähe eines Altersheims wurde es dann plötzlich immer voller und die Stimmung kippte um: Neben uns fing eine Schlägerei an, wir alle hatten Panik, wir wurden immer näher an einen hohen Zaun gedrückt .

Alles fing an zu schreien und winkte um Hilfe, es winkten so viele Hände den Polizisten am Zaun zu, doch diese standen nur hilflos da und unternahmen nichts. Vielen Leuten wurde es dort schon schlecht, ein Pärchen wurde am Altenheim rausgelassen, die drei Mädchen neben mir, denen es auch schlecht ging, wurden schon nicht mehr rausgelassen. Alles wurde ignoriert, da hatten wir schon bedenken, was geht hier ab.

Diese Zäune hätte man nie alleine aufbekommen, ich starrte immer wieder auf die Zaunverschlüsse. Wir dachten immer wieder: Dies ist eine Großveranstaltung, die werden sicher dafür sorgen, dass ein Schwung vom Veranstaltungsplatz raus und der andere wieder reingelassen wird, so wie es eben möglich ist.

Wir erreichten endlich kurz vor dem Tunnel die Quergitter, wo wir das erste Mal in eine Taschenkontrolle kamen. Schon beim Anblick des Tunnels dachte ich: Gut, er ist halb voll, es geht wieder mit etwas weniger Gerangel voran, die werden alles unter Kontrolle haben. Doch es wurde in Sekundenschnelle immer voller, wir wurden in diese Rampe hineingedrückt

Vor der Mauer kletterten Menschen schon den Scheinwerfermast hoch . Mein Mann schrie zu mir rüber: "Halte dich an dem Verkehrsschild fest, bleib hier stehen!" Er umfasse das Schild so, dass ich in der Mitte seiner Arme wieder Luft bekam. Ich rief zu ihm: "Warum machen die Polizisten nichts, haben die keine Flüstertüten, um die Menschen zurückzuschicken?"

Der Druck von hinten wurde immer stärker, das Schild in den Händen von Klaus wurde immer krummer, die Kannten so scharf und ich starrte immer auf den Pfosten im Boden und hoffte, dass er hielt.

Die Leute versuchten an einem Plakat hochzuklettern, wobei der Holzrahmen schon runter kam. Ich schrie zu meinen Mann: "Warum schauen die Polizisten nur zu, warum kommt denn keine Hilfe von dem Hubschrauber oben am Himmel?" Dann wurde es mir sehr schlecht, ich dachte immer nur, du darfst hier nicht umkippen, nur nicht umkippen.

Gemeinsam mit einem anderen Pärchen bildeten wir eine Kette und schafften es irgendwie, aus dem Kessel herauszukommen. Ich höre immer noch den jungen Mann vor mir sagen, ´halte dich an meinen Rucksack fest, halte dich fest, gleich sind wir raus´. Nachdem wir uns erholt hatten, wurden wir immer wieder gefragt, wie es dort an der Rampe war. Wir konnten die Leute nur warnen, doch die meisten liefen weiter in den Tunnel.

Auf der Streckenmitte zum Bahnhof wurde eine riesige Menge Menschen zurückgehalten. Iirgendwie kamen wir an den Absperrungen vorbei zum Bahnhof - und gerieten dort ins nächste Chaos. Man ließ uns in den Bahnhof noch rein und Fahrkarten ziehen. Und das, obwohl schon keine Züge mehr fuhren. Wir flüchteten dann nur noch vom Bahnhof in Richtung Zoo und stiegen dort endlich in einen Ersatzbuss nach Uerdingen.

Dort fuhren Jugendliche mit, die von ihren Eltern angewiesen worden waren, sich in Sicherheit zu bringen, bevor das Telefonnetz zusammenbrach. Wir brauhten drei Stunden, um aus Duisburg rauszukommen und waren froh und erleichert, als wir zuhause unseren Sohn Laurenz (12.), der Gott sei Dank nicht mit gekommen war, in die Arme schließen zu können.

Erst als wir zuhause die Nachrichten sahen, wurde uns klar, wie viel Glück wir hatten. Im TV sahen wir noc hmal das Verkehrsschild, unter dem zwei Tote lagen, die mit Golden Folie abgedeckt worden waren.

Ich kann meine Gedanken noch immer nicht fassen: Was wäre, wenn wir nur ein paar Minuten länger gewartet hätten. Wir werden wohl nie wieder zu einer Großveranstaltung gehen und sind unendlich traurig, dass dieser Tag so grausam endete.