Kreuzfahrt - das Kirchentagsblog Tonloser Kirchentag: Singt hier keiner mehr?
Unser Reporter Ekkehard Rüger berichtet im Blog vom 36. Deutschen Evangelischen Kirchentag in Berlin.
Berlin. Das Liederbuch "Freitöne" zum Kirchentag umfasst gut 280 Seiten. Im Vorwort heißt es: "Das Singen von Liedern ist für den Protestantismus seit der Reformationszeit ein Herzensanliegen." Ja, ja, stimmt schon. Aber warum wird dann in Berlin so wenig gesungen? Am Abend des zweiten Tages ist mein Liederbuch noch gänzlich unbenutzt. Ich habe es einfach nicht gebraucht.
Es mag ja nicht jedermanns Sache gewesen sein, wenn in früheren Kirchentagszeiten die U-Bahnen von beseelten Jugendgruppen bevölkert wurden, die ihre Umgebung ungefragt mit einem Querschnitt durch das christliche Liedgut beglückten. Aber so ganz zu verstummen, macht auch nicht glücklich.
Vielleicht liegt es an der politischen Lage. Oder an der Generation Smartphone. Oder an der gesellschaftlichen Geringschätzung des Singens. Oder ich besuche die falschen Veranstaltungen und wähle die falschen U-Bahn-Linien. Aber ich bin in den ersten beiden Tagen noch nirgendwo in Berlin einem spontanen Gesang begegnet - sieht man von dem "We shall overcome" ab, mit dem am Donnerstagvormittag die Diskussion mit der AfD gestört werden sollte.
Dabei ist für jeden etwas dabei: Das Liederbuch zum Kirchentag in Berlin und Wittenberg vereine Lieder aus fünf Jahrhunderten - von der Reformation bis zur Gegenwart, preisen die Herausgeber das Spektrum ihres Werkes an. Aber den richtigen Ton zu treffen, ist offenbar nicht nur in der zwischenmenschlichen Kommunikation eine Herausforderung, sondern mittlerweile auch ein hemmender Anspruch an die eigene Sangesfreude.
Dabei wissen wir doch seit Troubadix: Das Schlimmste, was passieren kann, ist, dass man beim Lagerfeuer an einen Baum gefesselt wird. Morgen packe ich die Harfe ein.