Bundestagswahl 2017 Große Einigkeit bei den Parteien: Es soll mehr Polizei geben
Bei der Inneren Sicherheit liegen Union und SPD nah beieinander. FDP zeigt sich wie einst als Wahrer der Bürgerrechte. Grüne wollen Prävention.
Düsseldorf. Gewaltexzesse beim G20-Gipfel in Hamburg, Terrorgefahr durch Islamisten oder von rechtsextremer Seite (Stichwort NSU) — Themen rund um die Innere Sicherheit, die die Öffentlichkeit und damit den Wähler umtreiben, gibt es genug. Und doch steht die Innere Sicherheit jedenfalls bisher nicht im Zentrum des Bundestagswahlkampfs. Auch wenn die Diskussion darum infolge des Anschlags von Barcelona wieder an Fahrt gewinnen dürfte.
Doch das Thema wurde in den ersten Wochen des Wahlkampfs überlagert von Aufregern wie dem Dieselskandal oder vergifteten Eiern. Dass die großen Parteien nicht gar zu offensiv damit umgehen, hat gewiss auch etwas damit zu tun, dass Union und SPD in ihrer gemeinsamen Regierungsverantwortung jahrelang Zeit hatten, etwas zu ändern.
Eben das haben wir ja auch getan, reklamieren allerdings CDU und CSU in ihrem gemeinsamen Wahlprogramm für sich. Mit Blick auf den Koalitionspartner und jetzigen Wahlkonkurrenten SPD betonen die Unionsparteien, dass sie „in dieser Bundesregierung hart gekämpft haben, um Rechtsänderungen durchzusetzen“: Verschärfung der Strafen bei Wohnungseinbruch, leichtere Abschiebung von ausländischen Straftätern, personelle Aufstockung der Sicherheitsbehörden.
Die SPD verzichtet auf solches Eigenlob, obwohl auch sie rückblickend sagen könnte, dass ihr Justizminister Heiko Maas etwa in Sachen der durch das Internet verbreiteten Hasskriminalität auch nicht untätig war.
Mit Blick auf zukünftige Pläne hat die SPD wie auch die Union einen umfangreichen Katalog in ihr Wahlprogramm gestellt. Mit Projekten und Ideen, was sie im Falle einer erneuten Regierungsbeteiligung alles anders machen möchte in Sachen Innere Sicherheit. Doch so richtig offensiv geht sie mit diesen Vorschlägen nicht in die Öffentlichkeit. Was wohl auch daran liegt, dass man das Thema „Law and Order“ weniger den Sozialdemokraten als der Union zutraut und der Wähler im Zweifel wohl eher zum Original tendieren würde. Die Zeiten, da die SPD das Thema mit ihrem „Sheriff“ und damaligen Innenminister Otto Schily für sich reklamieren konnte, sind jedenfalls vorbei.
In einem sind sich die großen Parteien allerdings einig: Sie wollen die Sicherheitskräfte personell aufrüsten. Versprochen werden 15 000 zusätzliche Polizeibeamte. Die Union erwähnt es nur in einem Nebensatz und die SPD kaum ausführlicher, dass dann auch Gerichte und Staatsanwaltschaften personell gestärkt werden müssen, um Straftaten konsequent ahnden zu können. Zahlen werden hier allerdings nicht genannt. Doch wie groß an dieser Stelle das Problem ist, darauf hat erst kürzlich Jens Gnisa, Vorsitzender des Deutschen Richterbundes hingewiesen. Nach dessen Berechnungen bräuchte Deutschland 2000 zusätzliche Richter und Staatsanwälte. Gnisa mahnt, die Lage werde sich in den nächsten Jahren noch verschärfen, weil eine „gigantische Pensionswelle“ auf die Justiz zurolle. Laut Richterbund gehen in den nächsten 15 Jahren etwa 40 Prozent aller Richter und Staatsanwälte bundesweit in den Ruhestand.
Einig sind sich SPD und Union auch darin, dass mehr Videotechnik bei der Verbrechensbekämpfung eingesetzt werden soll (siehe Artikel unten). Während die Union auf die Schleierfahndung (verdachtsunabhängige Kontrollen) und auf die verstärkte Auswertung von DNA-Spuren zur Täterermittlung setzt und die Bekämpfung der Cyberkriminalität nur eher nebenbei erwähnt, ist letzteres für die SPD ein Kernthema. Ebenso wie eine effektivere Bekämpfung der Wirtschaftskriminalität.
Interessant ist, wie sich die Grünen und die FDP als mögliche Koalitionspartner von Union oder SPD positionieren. Auch die Grünen setzen auf mehr Personal bei der Polizei. Und auch für sie ist Videoüberwachung längst kein Tabu mehr. Sie legen ihren Schwerpunkt in der Sicherheitspolitik vor allem auf Vorbeugung: da geht es um Unterstützung von zivilgesellschaftlichen Institutionen gegen rechte und rechtspopulistische Kräfte. Um Initiativen, die sich dafür engagieren, der Radikalisierung von Jugendlichen vorzubeugen. Und auch um ein verschärftes Waffenrecht.
Die FDP präsentiert sich jedenfalls in ihrem Wahlprogramm wie in früheren Tagen, als man mit profilierten Politikern wie Gerhart Baum, Burkhard Hirsch und Sabine Leutheusser-Schnarrenberger dagegen antrat, dass bürgerliche Freiheiten für mehr Sicherheit aufs Spiel gesetzt werden. Es dürfe keine anlasslose Erhebung und Speicherung personenbezogener Daten geben, fordern sie. Unbescholtene Bürger dürften nicht lückenlos überwacht werden. Nein zur Vorratsdatenspeicherung.
Auch die FDP fordert eine bessere Personal- und Sachausstattung bei Polizei und Justiz und will die Sicherheitsbehörden „von Nebensächlichkeiten entlasten“. Dafür nennt die von Parteichef Christian Lindner wiederbelebte Partei ganz konkrete Beispiele: „Den Bluttest bei unfallfreien Fahrten unter Alkoholeinfluss abschaffen, Cannabis kontrolliert freigeben oder bei Ruhestörungen, Verkehrsunfällen ohne Verletzte und der Begleitung von Schwertransporten und dem Objektschutz die Zuständigkeit auf andere Behörden verlagern.“
Die Linke setzt beim Thema Innere Sicherheit einen Schwerpunkt darauf, dass gegen Rechtsextremismus und rassistisch motivierte Gewalt vorgegangen werden müsse. Dabei attackiert man selbst im Wahlprogramm den Konkurrenten auf der anderen Seite des Parteienspektrums, die AfD, massiv: Diese sei eine „nationalistische und in weiten Teilen rassistische Partei, die ideologische und personelle Verbindungen zur extremen Rechten hat“.
Die AfD ihrerseits hat beim Thema Innere Sicherheit ganz andere Prioritäten und verspricht, mehr für eine „wirksame Bekämpfung der Ausländerkriminalität“ tun zu wollen. Und in punkto Jugendkriminalität beklagt sie „ein geradezu zahnloses Recht“. Das Strafmündigkeitsalter müsse auf zwölf Jahre abgesenkt und mit dem Erreichen der Volljährigkeit auch das Erwachsenenstrafrecht Anwendung finden.