#Brexit Brexit: Martin Schulz geht mit David Cameron hart ins Gericht
Düsseldorf. EU-Parlamentspräsident Martin Schulz (SPD) hält einen Exit vom Brexit zum jetzigen Zeitpunkt für undenkbar. „Wir müssen die demokratische Entscheidung des Volkes ernst nehmen“, sagte er am Freitag bei einer dpa-Konferenz in Düsseldorf.
Schulz — seit der Entscheidung der Briten am vergangenen Freitag im Dauereinsatz — hätte selbst auf einen Sieg der EU-Befürworter gewettet. „Als ich in der Nacht zu Freitag ab 3.30 Uhr vor dem Fernseher saß und sich so langsam das Ergebnis abzeichnete, da habe ich gedacht: ,Au Backe!’.“
Er erzählt, dass ihn seine Tochter (26) am nächsten Tag schockiert vom Abstimmungsergebnis angerufen habe, dass sie von den entsetzten Reaktionen ihrer Freunde in London berichtet habe, und wie diese sich um ihre Zukunft betrogen fühlten. „Kannst du nicht etwas tun?“, habe sie ihn gefragt. Der EU-Parlamentspräsident sieht den Ball aber eindeutig im Spielfeld der Briten: „Wir müssen die Verantwortung da lassen, wo sie liegt, nämlich in London.“ David Cameron habe das Referendum ohne Not aus parteiinternen Gründen gestartet, um seine eigene Position zu sichern. Der Premier habe das ganze Land in Geiselhaft genommen wegen eines internen Machtkampfes der Tories. Schulz geht mit Cameron hart ins Gericht. Dieser habe eine „tiefe Erschütterung in Europa ausgelöst“. Und jetzt, „wo der Austritt bewältigt werden muss, spielen die Briten auf Zeit. Das ist schon ein sehr selbstbewusstes Auftreten“.
Für die Haltung des britischen Premiers, erst im September zurückzutreten und bis dahin nichts zu tun, findet Schulz harsche Worte: „Das Verhalten ist skandalös.“ Er erwarte, dass Großbritannien zügig das Austrittsgesuch einreiche. Eine Hängepartie mit allen Unsicherheiten könne sich Europa nicht leisten. Rein rechtlich sind den Europäern die Hände gebunden: Der Paragraf 50, der einen Austritt aus der EU regelt, sieht vor, dass die Briten die Initiative ergreifen müssen. Genau das wollen diese vorerst aber nicht tun. Doch Schulz ist sich sicher, dass der politische Druck der 27 EU-Mitglieder auf Großbritannien enorm zunehmen wird. „Da ist viel Dampf im Kessel.“
Eine kleine Hintertür für einen Verbleib der Briten sieht Schulz aber doch. „Wir haben Erfahrungen mit Beitritten, aber nicht mit Austritten.“ Im Falle einer Scheidung gelte es, einen enormen Fragenkatalog zu klären. Welchen Status haben EU-Bürger, die in Großbritannien leben? Und welchen Briten, die in der EU leben? Sollten die Briten vor 2020 ausscheiden, müsste die gesamte EU-Finanzplanung, die bis zu diesem Zeitpunkt festgezurrt ist, überdacht werden. Zahlen die Briten dennoch bis 2020? Wenn nicht, wer zahlt dann? Welche Handelsabkommen müssen neu geregelt werden? Was ist mit Europol, was mit dem Datenaustausch zwischen EU und Großbritannien? „Es könnte sein, dass man bei all den Schwierigkeiten vielleicht am Ende sagt, ,lass’ uns noch mal reden’.“
Schulz sagt aber auch deutlich, dass Europa Veränderungen brauche. Die EU dürfe nicht als anonyme Macht wahrgenommen werden, die das Leben der Bürger bestimmt. Zudem bringe das Gefühl der sozialen Ungerechtigkeit die Menschen auf die Barrikaden. „Europa muss nun liefern.“ Das sei man gerade der jungen Generation schuldig. Insofern könne diese Krise auch eine Chance sein. „Viele junge Leute, für die Europa selbstverständlich war, sind geschockt aufgewacht.“ All denen sage ich: „Lauft nicht denen nach, die euch eure Chancen kaputtmachen.“ Angesprochen auf seine eigene Zukunft und eine mögliche Kanzlerkandidatur für die SPD sagte er: „Mein Platz ist in Brüssel.“