Der Brexit und die Folgen Was Briten in ihrer deutschen Wahlheimat erwarten könnte

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Deutschland. Die deutsch-britischen Beziehungen würden "in aller Freundschaft" weitergeführt, sagt Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU). Doch was heißt das für die rund 106.000 Briten, die in Deutschland leben? Bedeutet der Brexit für sie auch den Exit aus ihrer Wahlheimat? Nachfolgend ein Überblick über mögliche Konsequenzen:

Was ändert sich durch das Referendum?

Für die hier lebenden Briten zunächst einmal gar nichts. Bürger eines EU-Mitgliedstaates dürfen in jedem anderen EU-Land einer Beschäftigung nachgehen, ohne dafür eine Genehmigung einzuholen. Damit sind hier lebende Briten den deutschen Arbeitnehmern gleichgestellt. Solange es kein formales Austrittsersuchen Londons an die EU gibt, wird das auch so bleiben. Und selbst für die Zeit der notwendigen Verhandlungen danach dürfte sich an der jetzigen Rechtslage nichts ändern. Dies wird erst in etwa zwei Jahren bei Abschluss eines neuen Abkommens zwischen Großbritannien und der EU der Fall sein.

Warum sind Einschnitte möglich?

Der freie Zugang zum EU-Binnenmarkt, den Großbritannien am liebsten behalten würde, ist mit der vollen Arbeitnehmerfreizügigkeit verbunden. Genau dieses Privileg will London jedoch einschränken. Das heißt, wer als Bürger eines anderen EU-Staates auf der Insel leben und arbeiten will, muss mit Restriktionen rechnen. Etwa Entzug der Arbeits- und Aufenthaltserlaubnis. Nicht nur viele Polen, gegen die sich die Brexit-Kampagne richtete, auch Deutsche wären betroffen. Dies wäre dann auch im umgekehrten Fall so. Merkel meinte dazu: "Wer austreten möchte, kann nicht erwarten, dass alle Pflichten entfallen, die Privilegien aber weiterbestehen".

Welches Szenario wäre besonders schlecht?

Die größten Nachteile müssten hier lebende Briten in Kauf nehmen, wenn ihr Land durch das Abkommen mit der EU zu einem ganz gewöhnlichen Drittstaat werden würde. Vergleichbar etwa mit Vietnam oder Marokko. In diesem Fall brauchten Briten im EU-Gebiet eine Arbeitserlaubnis, die wiederum grundsätzlich ein konkretes Jobangebot voraussetzt. Wer schon vorher hier gearbeitet hat, müsste womöglich trotzdem eine Erlaubnis beantragen. Hochqualifizierte hätten ein bestimmtes Mindesteinkommen nachzuweisen. Aktuell sind es 49.600 Euro im Jahr. Für die Zuwanderung von Fachkräften ist eine so genannte Positivliste maßgebend, in der mehr als 70 Mangelberufe aufgeführt sind. Demnach könnte zum Beispiel ein britischer Krankenpfleger in Deutschland arbeiten, ein britischer Maurer derzeit aber nicht.

Was ist mit der Norwegen- oder Schweiz-Option?

Nach dem Vorbild des EU-Abkommens mit Norwegen könnte sich London zwar den freien Zugang zum EU-Binnenmarkt erhalten, es müsste aber genauso viel an den EU-Haushalt zahlen wie bisher, und auch die Bewegungsfreiheit für EU-Arbeitnehmer bliebe weitgehend unangetastet. Genau das waren jedoch zentrale Kritikpunkte der Brexit-Anhänger. Die zahlreichen Sondervereinbarungen mit der Schweiz wiederum garantieren den Eidgenossen einen Zugang zum EU-Binnenmarkt für Güter, aber nicht für Dienstleistungen. Gerade Finanzdienstleistungen sind jedoch ein Hauptgeschäftsfeld Großbritanniens. Am Ende dürfte das auszuhandelnde Abkommen mit London deshalb wohl ein Mix aus mehreren Varianten sein.

Wie können hier lebende Briten gegensteuern?

Das wirksamste Instrument, um allen Unwägbarkeiten zu entgehen, ist die Beantragung der deutschen Staatsbürgerschaft. Den britischen Pass könnten sie trotzdem behalten. Wer gut deutsch spricht und integriert ist, kann bereits nach sechs Jahren Aufenthalt in Deutschland eingebürgert werden. In Ausnahmefälle schon nach drei Jahren, zum Beispiel, wenn es sich um Wissenschaftler oder Forscher handelt. Noch gibt es keine Zahlen, die belegen, dass mehr Einbürgerungsanträge im Zuge des Brexit gestellt werden. Das Bundesinnenministerium geht aber fest davon aus. Der umgekehrte Trend ist bereits greifbar: Nach Angaben des Bundesverwaltungsamtes gibt es verstärkt Nachfragen von Deutschen, die den britischen Pass erwerben wollen.