Landtagswahl NRW 2017 Kraft kämpft mit Absage an Linke um Millionen Unentschlossene in NRW
Chance oder Risiko? Was bringt der SPD eine Annäherung an die Linkspartei? Nach dem Debakel im Saarland und in Schleswig-Holstein geht Kraft kurz vor Schluss in NRW auf Nummer sicher: Linksblinker aus.
Düsseldorf. Anhaltend unklare Mehrheitsverhältnisse in den Meinungsumfragen und ein großer Anteil unentschlossener Wähler: In den letzten Tagen vor der auch bundesweit gewichtigen Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen müssen die Spitzenkandidaten alle Register ziehen.
Überraschend kommt Ministerpräsidentin Hannelore Kraft (SPD) am Mittwoch dem Drängen nach, sich eindeutig gegen ein Bündnis mit der Linken auszusprechen. Im Interview mit dem Sender WDR 5 sagt sie: „Mit mir als Ministerpräsidentin, das sage ich klar, wird es keine Regierung mit Beteiligung der Linken geben.“
Den Dortmunder Politikwissenschaftler Prof. Dierk Borstel überzeugt das nicht. „Jetzt ist sie über das Stöckchen gesprungen, das Laschet ihr hingehalten hat. Souverän ist das nicht.“
In der Tat hat Krafts Herausforderer Armin Laschet (CDU) in den letzten Wahlkampftagen wiederholt versucht, Kraft als Taktiererin vorzuführen, die mit ihrem Mantra: „Ich halte die Linke für nicht regierung- und für nicht koalitionsfähig“ nichts Konkretes zur Regierungsbildung sage.
„Diesen Schwenk vier Tage vor der Wahl macht Frau Kraft nicht aus grundsätzlichen Überlegungen, sondern aus Panik“, kommentierte Laschet. „Wie wenig die Aussage wert ist, zeigt sich schon daran, dass sie 2010 vor der Wahl eine Duldung durch die Linke ausschloss und nach der Wahl mit Hilfe der Linken ohne eigene Mehrheit ins Amt kam.“
Kanzlerkandidat Martin Schulz sprang Kraft hingegen bei einem Ortstermin in Düsseldorf zur Seite und lobte ihre Klarstellung zur Unvereinbarkeit beider Parteiprogramme. Allerdings stellte er gleichzeitig fest, dass Kraft dies doch schon mehrfach betont habe.
Warum legt sie also jetzt so kurz vor der Wahl am Sonntag nach? „Das hätte man früher an Inhalten festmachen können und müssen“, meint Borstel.
Offenbar sei der SPD aber auf den letzten Metern vor der wichtigsten Abstimmung vor der Bundestagswahl klar geworden: „Das Blinken nach links hat ihr im Saarland enorm geschadet - und in NRW ist einer der radikalsten Landesverbände der Linken.“ Umgekehrt sei die SPD in NRW - vor allem im Ruhrgebiet- sehr bürgerlich aufgestellt. Diese Konstellation lasse einen Flirt mit der Linkspartei überhaupt nicht lohnend erscheinen.
Laut jüngster Umfrage ist jeder vierte der über 13 Millionen Wahlberechtigten in NRW noch unentschlossen. Eine andere Umfrage sah eine Woche zuvor sogar rund 40 Prozent der Wähler unentschieden. Theoretisch ein Riesenpotenzial für Kraft und Laschet, doch noch zu einer Regierungsmehrheit jenseits einer großen Koalition zu kommen.
Allerdings sieht es nicht danach aus, wenn sich die Mandate auf ein Sechs-Parteien-Parlament verteilen, in dem andere Zweier-Bündnisse schwer zu erreichen und alle anderen Bündnisse schon ausgeschlossen worden sind. Ein Fehler, kritisiert Prof. Borstel. „Das ist bedauerlich. Wenn die große Koalition das Ziel ist, braucht man gar nicht erst wählen.“
Viele sehen in dem jüngsten Beschluss der Grünen gegen ein Bündnis mit CDU und FDP ein Hintertürchen, doch noch bei „Jamaika“ zu landen, wenn Christdemokraten und Liberale sich von der einen oder anderen Position verabschieden würden.
In dem Beschluss vom vergangenen Sonntag kritisiert die Öko-Partei eine klima- und umweltschutzfeindliche Ausrichtung beider Parteien zugunsten der Wirtschaft und stellt fest: „Dieser Politik werden wir nicht zur Macht verhelfen.“
Grünen-Spitzenkandidatin Sylvia Löhrmann versucht jetzt, der Vieldeutigkeit entgegenzutreten. „Unser Beschluss ist eindeutig: Jamaika ist keine Option für Nordrhein-Westfalen.“, versicherte sie der dpa. Und auch Landesparteichef Sven Lehmann unterstreicht im „Tagesspiegel“ (Mittwoch): „Es wird in NRW keine Jamaika-Koalition geben.“ Tatsächlich dürfte ein Dreier-Bündnis mit CDU und FDP der eher links stehenden grünen Basis in NRW auch schwer zu vermitteln sein.
Im Wahlkampfendspurt regiere nun angesichts der unklaren Verhältnisse „die Politik der starken Worte“, stellt Borstel fest. Der Professor für praxisorientierte Politikwissenschaft an der FH Dortmund rät: „Das sollte man nicht alles auf die Goldwaage legen. Am Montag werden die Karten neu gemischt und man wird über Inhalte und Kompromiss reden müssen. Das gehört zur Demokratie dazu.“