Interview NRW-Finanzminister Lienenkämper: „Deutschland ist Schwarzgeldland Nummer 1 in Europa“

Lutz Lienenkämper, NRW-Finanzminister,über Geldwäsche, Glaubwürdigkeit, Steuer-CDs und den Nachtragshaushalt.

Foto: Judith Michaelis

Düsseldorf. Herr Lienenkämper, wie erleben Sie das neue Amt?

Lutz Lienenkämper, Finanzminister von NRW.

Foto: Bischof, Andreas (abi)

Lutz Lienenkämper: Spannend, bereichernd, durchaus auch fordernd.

Foto: Judith Michaelis

Finanzen, ist das eigentlich Ihr Feld?

Lienenkämper: (lacht) Da haben Sie meine Anfänge 2005 im Landtag vergessen, ich habe damals im Haushalts- und Finanzausschuss begonnen. Das Themenfeld hat mich schon immer interessiert. Mein Schwerpunkt verlagerte sich zwar später, aber auch die Zeit im Ministerium für Bauen und Verkehr ist jetzt hilfreich, genauso wie die als Parlamentarischer Geschäftsführer.

Sie haben das Glück, dass die Steuereinnahmen sprudeln: Es sind 1,26 Milliarden Euro mehr, als Ihr Vorgänger Norbert Walter-Borjans in seiner Planung hatte. Trotzdem liegt die Neuverschuldung bei 1,55 Milliarden Euro. Das hörte sich im Wahlkampf anders an.

Lienenkämper: Unser Nachtragshaushalt ist ein reiner Reparaturhaushalt, mit dem wir ausschließlich rot-grüne Fehler abmildern. Wir haben hier auch kaum Spielraum, die Ausgabepositionen sind ja schon alle beschlossen. Das ist jetzt die Schlussbilanz der Regierung Kraft.

Im Wahlkampf wollte die CDU noch Neuausgaben durch Einsparungen gegenfinanzieren. Haben Sie da nicht ein Glaubwürdigkeitsproblem?

Lienenkämper: Aus meiner Sicht überhaupt nicht. Wir haben noch keine eigenen Schwerpunktmaßnahmen gesetzt, sondern tatsächlich Dinge repariert. Der erste Gestaltungshaushalt wird der Haushalt 2018 sein. Und wir haben immer gesagt, wir halten die Schuldenbremse 2020 ein. Das ist unser übergeordnetes Ziel.

Wird der Haushalt 2018 ohne Neuverschuldung aufgestellt?

Lienenkämper: Das werden Sie spätestens im November sehen, wenn wir den Haushalt in den Landtag einbringen werden.

Viele Ministerien wurden neu zugeschnitten. Heißt das im Ergebnis, dass die Ausgaben nicht mehr so leicht vergleichbar sind?

Lienenkämper: Nein. Die Vergleichbarkeit wird komplexer, sie ist aber natürlich gegeben. Alle technischen Veränderungen im Haushaltsplan sind gut nachvollziehbar.

Wollen Sie beim Ankauf von Steuer-CDs die Linie Ihres Vorgängers Norbert Walter-Borjans fortsetzen, oder fallen Sie da um?

Lienenkämper: Das machen wir so, wie es schon mein Vorvorgänger Helmut Linssen (Anm. d. Red: NRW-Finanzminister von 2005-2010, CDU) gehandhabt hat: Es wird, wie in der Vergangenheit, immer eine Einzelfallprüfung geben. Wir klären jedes Mal neu: Wie ist mutmaßlich der Gehalt des angebotenen Datenträgers und welche Risiken stecken darin? Dann wird entschieden, ob gekauft wird.

Gibt es in Bezug auf die Steuer-CDs in der CDU noch die alte Diskussion „Das ist Hehlerware“, das darf ein Rechtsstaat nicht?

Lienenkämper: Wir haben uns entschieden, das im Einzelfall zu prüfen — wie in der Vergangenheit auch. Insofern ist das keine Diskussion, die noch akut ist.

Organisierte Kriminalität, Geldwäsche, Terrorfinanzierung. In NRW werden jedes Jahr zig Millionen Euro Schwarzgeld gewaschen.

Lienenkämper: Ja, das stimmt, und mutmaßlich findet das wirklich in einer erschreckenden Größenordnung statt. Deshalb will ich, dass wir die Zusammenarbeit der Behörden untereinander wesentlich verbessern. Gleich nach Amtsbeginn haben wir deshalb auf Landesebene eine Task Force von Justiz-, Innen- und Finanzministerium gegründet. Hier wollen wir das Wissen bündeln, um noch schlagkräftiger gegen die organisierte Kriminalität und insbesondere gegen die Geldströme des internationalen Terrorismus vorzugehen. Aber: Wir wollen nicht nur im Land, sondern auch im Bund eng zusammenarbeiten.

Ihr Vorgänger hat sich noch geweigert, Ermittlungsdaten aus den Verfahren gegen Briefkastenfirmen in „Panama“ an das Bundeskriminalamt herauszugeben. Heißt das, das sich das jetzt ändert?

Lienenkämper: Das heißt, dass wir gut zusammenarbeiten und diesen Weg fortsetzen wollen. Die Daten sollen da ankommen, wo sie gebraucht werden.

Also geben Sie sie jetzt heraus oder nicht?

Lienenkämper: Ich bin ein Freund des Miteinanders, nicht des Gegeneinanders. Statt Kompetenzgerangel bevorzuge ich gute Sacharbeit. Und mindestens ebenso wichtig wie der Austausch von Daten ist der Austausch von Erfahrungen, und das auf Augenhöhe. Hier ist unsere Sondereinheit „Organisierte Kriminalität und Steuerhinterziehung“, in der LKA und Steuerfahnder sehr erfolgreich zusammenarbeiten, schon gut unterwegs.

Gehen Sie davon aus, dass NRW ein Zentrum der Geldwäsche in Deutschland ist?

Lienenkämper: So weit würde ich nicht gehen. Aber ja, Deutschland ist Schwarzgeldland Nummer 1 in Europa und Düsseldorf ist nach Frankfurt der zweitgrößte Bankenstandort in Deutschland — damit ist unser Bundesland besonders gefährdet, von Terroristen für ihre illegale Geldwäsche missbraucht zu werden.

Kann Düsseldorf als Finanzplatz vom Brexit profitieren?

Lienenkämper: Wir werden sehr intensiv prüfen, welche Möglichkeiten, aber auch welche negativen Konsequenzen sich für unser Land und damit auch für Düsseldorf durch den Brexit ergeben können. Hierfür wird unsere Landesregierung eigens einen Brexit-Beauftragten ernennen. Zugleich werben wir schon jetzt dafür, dass die Europäische Arzneimittelagentur künftig in Bonn sitzt — auch das würde die Position unseres Bundeslandes stärken.

Nicht-EU-Ausländer sollen künftig für ihr Studium zahlen. Welche Einnahmen wird das bringen?

Lienenkämper: Wir wollen die besten Köpfe nach NRW holen — und sind davon überzeugt, dass eine Kostenbeteiligung der Studierenden keinen Einfluss auf die Bewerberzahl haben wird. Das zeigen auch Vergleiche mit anderen europäischen Ländern, in denen die Anzahl der ausländischen Studierenden trotz wesentlich höherer Studiengebühren unverändert hoch ist. Die genauen Einnahmen lassen sich heute noch nicht beziffern. Hier müssen wir erst einmal abwarten, wie viele Studierende zum Beispiel aus Härtefallgründen nicht von den Studiengebühren betroffen sein werden.

Die Zuschnitte der Ministerien haben sich verändert. Dadurch entstehen Umzugskosten. Bei einem 70-Milliarden-Haushalt fallen die sicher nicht so ins Gewicht. Trotzdem die Frage: Muss das sein?

Lienenkämper: Ja, weil die Ministerien in der neuen Zusammensetzung auch zusammensitzen müssen. Alles andere wäre praxisfern und ineffizient. Stellen Sie sich nur vor, dass Sie für einzelne Besprechungen mit Ihren Kollegen durch die halbe Stadt fahren müssten. Wichtig war uns aber, dass es keine zusätzlichen Büroräume gibt und die Umzüge so kostengünstig wie möglich durchgeführt werden.

Ist NRW beim Landesfinanzausgleich heute in der richtigen Position oder muss man da noch mal nachschrauben?

Lienenkämper: An der Grundsatzeinigung halten wir fest. Über Detailfragen werden wir eventuell noch mal sprechen müssen.

Wenn Sie Ihrem Vorgänger einen Brief schreiben müssten, was er so richtig gut gemacht hat, was würde in dem Brief stehen?

Lienenkämper: Ich glaube, das wäre ein relativ kurzer Brief, aber er wäre freundlich. Jedenfalls die Außendarstellung des Ministeriums war eine gute.

Was ist die wichtigste Eigenschaft, um diesen Job als Finanzminister gut zu machen?

Lienenkämper: Die Arbeit als Finanzminister ist eine Querschnittstätigkeit, daher sollten sie einen Gesamtüberblick über die Regierungsarbeit haben. Als Charakterzug helfen sicherlich eine gewisse Ausgeglichenheit, aber auch die notwendige Klarheit. Sie müssen als Finanzminister Grenzen ziehen können, da bevorzuge ich aber den moderaten Ton statt lautem Tamtam.