NRW-Landtagswahl 17 Schlussspurt im SPD-Wahlkampf: Die Genossen müssen zittern

SPD-Kanzlerkandidat Schulz im Schlussspurt des NRW-Landtagswahlkampfes — Es steht Spitz auf Knopf.

Der SPD-Kanzlerkandidat und Parteivorsitzende Martin Schulz posiert in Aachen auf dem Marktplatz neben einem Luftballonverkäufer.

Foto: Kay Nietfeld

Berlin. Er hängt sich rein, er kämpft. Für Hannelore Kraft, für die SPD, aber auch für sich selbst. 30 Einsätze hatte Martin Schulz schon im nordrhein-westfälischen Landtagswahlkampf hinter sich, in den letzten Tagen kommen noch etliche dazu. Bonn, Leverkusen, Aachen, Würselen, Duisburg. „Müssen wir zittern, Eva?“, fragt eine Genossin am Info-Stand in der Leverkusener Fußgängerzone. Schulz gibt im Hintergrund gerade einem großen Journalistenpulk Interviews. „Natürlich müssen wir zittern“, antwortet Eva Lux, SPD-Landtagsabgeordnete aus Leverkusen. „Aber es wird schon“.

Wenn man Schulz folgt in diesen Tagen ist es immer das gleiche Bild: Vorne ein kleines SPD-Empfangskomitee, das stolz ist, dass der Kanzlerkandidat sie in diesem Wahlkampf unterstützt. Hinter Schulz der übliche Medientross. Und am Rande Neugierige, die das Handy zücken. „Guck mal, Sankt Martin“, sagt einer. Aber es kommt keine richtige Stimmung auf. 30 Prozent der Wähler sind noch unentschieden, es steht Spitz auf Knopf. Die NRW-SPD setzt in dieser Phase ganz auf ihre Spitzenkandidatin Hannelore Kraft. Personenwahlkampf.

Leute wie Rentnerin Herlinde Weitze (74) spricht das an. „Hannelore Kraft ist eine richtig gute Landesmutter“, sagt sie. Martin Schulz redet ganz ähnlich. Morgens in Bonn, als er die Telekom-Zentrale besucht, sagt er. „Die Menschen kennen Hannelore Kraft als eine Frau, die das Land exzellent führt und den Menschen zugewandt ist“. Auf der anderen Straßenseite hängt ein CDU-Plakat: „Alarmstufe Doppelrot“ steht darauf. Es ist die aggressive Warnung vor eine rot-rot-grünen Koalition. Das SPD-Plakat mit der lächelnden Ministerpräsidentin und dem Slogan „NRWIR“ ein paar Meter weiter wirkt vergleichsweise brav.

Der junge SPD-Stadtrat Arne Altenburg (27) dreht am Infostand in Leverkusen für die Kinder ein Glücksrad. Er sagt, dass er seit kurzem zum ersten Mal das Gefühl hat, dass die Wahl auch schief gehen könne. Nicht nur für seine NRW-SPD insgesamt, sondern auch für Eva Lux hier im Wahlkreis. „Wir kriegen eine gewisse Wechselstimmung schon mit“, sagt Altenburg. „Es kommen Vorwürfe wie: Ihr habt fünf Jahre nichts gemacht. Und immer wieder das Thema Staus.“ In Leverkusen ist die Rheinbrücke seit langem für Lastwagen gesperrt, mit katastrophalen Folgen für den Verkehrsfluss.

Anders als Altenburg will der für den Wahlkampf Verantwortliche in einer anderen rheinischen Großstadt anonym bleiben, aber seine Einschätzung ist ähnlich. Die Stimmung sei anders als bei der Wahl vor fünf Jahren. Es werde öfter über Hannelore Kraft geschimpft, schildert er. Und dann sei da die Opposition mit ihren immer gleichen drei Themen: Kriminalität, Staus, Schulen. „Gegen die einfachen Slogans wie „Stauland“ kommen wir nur schwer an“. Trotzdem glaubt der Mann, dass es am Ende noch reichen wird. „Knapp“. Ein anderer hochrangiger Landespolitiker sagt: „Wir werden dieses Schlusslicht-Image einfach nicht los“. Auch das ist so ein einfacher Slogan der Opposition.

Gegen diese Stimmung kämpfen sie nun an, die Genossen an Rhein und Ruhr. Auch Martin Schulz, denn eine dritte Wahlniederlage in Folge, noch dazu im Kernland Nordrhein-Westfalen würde für seinen Wahlkampf alles verändern. Der Zauber des Neubeginns mit Martin Schulz wäre komplett dahin.

In Aachen am Abend beschäftigen sich bei der SPD-Kundgebung auf dem Markt die beiden Wahlkreiskandidaten auffallend ausführlich mit der Kampagne der Union. „Miesmacherei“ wirft ihr Karl Schultheis vor und listet auf, was unter Schwarz-Gelb alles schlecht gelaufen sei im Land. Und da saß CDU-Herausforderer Armin Laschet mit im Kabinett. Nur: Das war alles vor sieben Jahren. Auf Daniela Jansen wirkt die CDU-Kampagne gar „als seien wir ein Dritte-Welt-Land“. Schulz versucht den Blick nach vorn zu richten. Er wird hier, vor heimischen Publikum, mit großem Beifall begrüßt, hier funktioniert der Schulz-Hype noch. Er spricht über sein Lieblingsthema, die Bildung und die Herausforderungen der digitalen Revolution, und dass Deutschland darin investieren werde, „wenn ich Bundeskanzler dieses Landes bin“.

Für den Sonntag hofft er auf den Schwung der letzten Tage und Stunden. Immer mehr Menschen entschieden sich erst sehr spät, wen sie wählen wollten, sagt er. „Und da sind die vielen hier auf dem Platz doch eine Ermutigung“. Als er das sagt, zählt ein Polizist oben auf der Balustrade des Rathauses gerade, wie viele gekommen sind. 500 bis 600 meint er. Das ist nicht wenig, aber auch nicht viel. Angemeldet waren von der SPD Tausend.