#NRWIR SPD-Wahlkampfauftakt: Im Ma-Ma-Land

Wovon sollen sie auch sonst träumen? Mit (fast) allem, was in der Partei Rang und Namen hat, und der Band „Frida Gold“ hat die SPD in der Zeche Zollverein ihren NRW-Wahlkampf eröffnet.

Die NRW-SPD startet die "heiße Phase" des Wahlkampfes für die Landtagswahl in NRW.

Foto: Bernd Thissen

Essen. Wenn das Licht herunter geregelt wird, das kennen sie in den umgenutzten Industrie-Ruinen des Ruhrgebiets vom Musical, kommt was Feierliches. In diesem Fall ist es Anne Linscheid. Die junge Peotry-Slammerin aus Bonn trägt eine Ode an das Land vor: „Ich weiß nicht, was soll es bedeuten, dass ich so vernarrt in Dich bin. Ich erzähle es dem Wind und den Leuten, so oft ich mich Deiner entsinn'“ und so weiter. Das Rabimmel-rabammel-rabumm-Poem über „mein Nordrhein-Westfalen“ kam schon im vergangenen November bei den 500 Gästen der Verleihung des Landesverdienstordens so gut an, dass die SPD es für den Wahlkampfauftakt gleich noch einmal verwendet.

Dann tanzt eine Multi-Kulti-Truppe über die riesige Bühne, bis schließlich „I’ve got the Power“ (deutsch: Ich habe die Kraft) aus den Lautsprechern brüllt, wozu winkend und triumphierend ziehen die Stars der deutschen Sozialdemokratie unter dem Beifall von 1400 begeisterten Anhängern in das alte Kokerei-Gebäude einziehen. Vier Großleinwände vergrößern die Politshow noch einmal, die Sozialdemokratie berauscht sich an sich selbst. „Wovon sollen wir träumen“, singt „Frida Gold“, und „Wir sind zuhause“. Die SPD ist wieder wer.

Sigmar Gabriel, Olaf Scholz, Malu Dreyer und Thomas Oppermann geben im munteren Talk auf der Bühne die Vorgruppe, loben NRW und preisen seine Ministerpräsidentin. Das tut auch Martin Schulz. Denn der ist sicher, dass Hannelore Kraft am 14. Mai wieder Ministerpräsidentin wird. Und dann wird er Bundeskanzler. Sagt er. Und die 1400 wollen auch nichts anderes hören. „Wahlkampf soll auch Spaß machen“, sagt Hannelore Kraft — und hat ihn ganz offensichtlich auch selbst. Anders, als in den vergangenen Wochen, watscht sie genüsslich die CDU als eine Truppe von „Wackel-Dackeln“, die nicht wissen, was sie eigentlich wollen, und denen man das Land nicht überlassen dürfe.

Gut zwei Stunden dauert die Polit-Popshow, die seit Wochen ausverkauft ist. Wie überall, wo das SPD-Spitzenpersonal in diesen Wochen anrückt, übersteigt die Nachfrage die Raumkapazitäten. „Martin, Martin“-Rufe, Klatschmärsche für die Landesmutter. Wo Schulz und Kraft gemeinsam auftreten, verwandelt sich NRW wie auf Knopfdruck in ein himmelhoch jauchzendes Ma-Ma-Land. Die Ministerpräsidentin hat für ihre Wahlkampfreden einen Modus gefunden, der jede Kritik wie plumpes Schlechtreden des Landes aussehen lässt. Auch Merkels Kritik vom Vortag beim CDU-Parteitag in Münster weist sie als „schlecht informiert“ zurück.

3,5 Milliarden Euro habe die Rüttgers-Regierung in NRW den Kommunen weggenommen. Es sei die SPD gewesen, die die Städte von der Intensivstation und aus den Nothaushalten gerettet habe. Es sei die SPD gewesen, die für ein Plus von 730 000 sozialversicherungsbeschäftigen Arbeitsplätzen gesorgt habe. Und den ersten positiven Haushaltsabschluss des Landes seit den 70er Jahren. Und, und, und zum Thema Steuergerechtigkeit: „Wir kriegen die alle anne Hammelbeine!“ Selbst bei der inneren Sicherheit soll die SPD laut Kraft gepunktet haben, mit dem 15-Punkte-Plan nach der Silvesternacht und mehr Polizeistellen. Bei dem Thema trifft es sich vielleicht ganz gut, dass Innenminister Ralf Jäger — im Gegensatz zu anderen SPD-Kabinettsmitgliedern — nicht in der Halle ist, und ja auch niemand den Fall Amri ansprechen kann.

Bester Stimmung bricht die SPD am Mittag auf, glaubt an sich selbst und bekommt als Zugabe noch zwei Songs von „Frida Gold“ mit auf den Weg. So zufrieden mit sich war die SPD in NRW schon lange nicht mehr. Und inzwischen glaubt sie es sich auch selbst.

Unter #NRWIR twitterte WZ-Chefredakteur @Tueckmantel_WZ von der Veranstaltung. Hier die Tweets in chronologischer Reihenfolge: