Landtagswahl Wie Armin Laschet die NRW-Wahl gewinnen will (mit Video)
Herr Laschet, die SPD flirtet mit der FDP. Wie sehr ärgert Sie das?
Armin Laschet: Gar nicht. Ich glaube aber, dass es der SPD nicht nützt und es die Grünen ärgert, die sich wundern, dass die FDP als Partner gesehen werden könnte, den man fünf Jahre lang beschimpft hat. Das ist ein arger Meinungsschwenk. Aber ich kümmere mich um unsere Themen und wie das Land wieder nach vorne kommt. Über Koalitionen sprechen wir nach der Wahl.
Ihr Vorgänger Norbert Röttgen hat den Fehler gemacht zu sagen, er wolle nach Berlin gehen, wenn es in NRW nicht klappt. Bleiben Sie nur in der Politik, wenn Sie Ministerpräsident werden?
Armin Laschet: Damals war die Frage, ob er auch in der Opposition im Landtag bleibt. Er war Bundesminister, ich bin ja im Landtag. Ich bleibe in NRW, das ist meine Heimat, hier arbeite und lebe ich.
Sie könnten sich auch vorstellen, in einem Kabinett Kraft als Minister zu arbeiten?
Laschet: Da ich davon ausgehe, dass wir stärkste Partei werden, fehlt mir dafür die Vorstellungskraft. Wir können in diesem Land nur etwas verändern, wenn wir aus der Staatskanzlei eine neue Dynamik entfalten. Dass NRW bei so vielen Themen bundesweit Schlusslicht ist, liegt auch daran, dass nicht das richtige Tempo vorgegeben wird. Ich strebe das Amt des Ministerpräsidenten an, weil wir eben dieses Tempo endlich vorgeben wollen.
Die Ministerpräsidentin sagt dazu, Sie redeten nur das Land schlecht. Redet Frau Kraft das Land schön?
Laschet: Frau Kraft redet ihre Regierungsbilanz schön. Nicht das Land ist schlecht, aber die rot-grüne Regierung ist schlecht, wenn die Bildungsergebnisse schlechter sind als woanders. Wenn die innere Sicherheit so gehandhabt wird, wie das unter Innenminister Jäger passiert. Da sagen die Leute, wir wollen nicht, dass es No-Go-Areas gibt, dass so etwas wie die Silvesternacht passiert, dass man wie jetzt beim Fall Amri nicht durchgreift, dass sich die Zahl der Salafisten um das Sechsfache erhöht, dass wir so viele Wohnungseinbrüche haben wie in Bayern, Baden-Württemberg, Hessen, Rheinland-Pfalz, Niedersachsen, Sachsen und Sachsen-Anhalt zusammen.
Trotzdem sprechen die Umfragen für die These von Frau Kraft. Oder?
Laschet: Nein. Bis Januar lagen wir in allen Umfragen Kopf an Kopf oder vorne. Dann ist Herr Schulz aufgetaucht, seither liegt die SPD in den Umfragen vorn. Keiner kommt aber auf die Idee, das läge an Frau Kraft. Selbst die Delegierten auf dem SPD-Parteitag sagen, dass das auf Schulz zurückgeht. Die Frage aber ist: Ist das eine Begeisterung auf SPD-Veranstaltungen, oder interessiert das auch die Menschen im Land? Mein Test war das Saarland: Da gab es keinen Schulzeffekt und alle Prognosen waren falsch. Die SPD hat ein Prozent weniger als letztes Mal, und der Gabriel-Effekt vor fünf Jahren war größer als der Schulz-Effekt jetzt. Die Umfragen sagten im Saarland ein Kopf-an-Kopf-Rennen voraus, die Realität war am Ende 40 zu 29 Prozent zugunsten der CDU. Die Chance ist auch hier da, zu gewinnen, da Schulz auch CDU-Wähler mobilisiert wählen zu gehen. Und Ministerpräsident wird, wer eine Mehrheit im Parlament hat. Weil Lindner mit der FDP eine Ampel ausgeschlossen hat, sind die Möglichkeiten für die SPD nicht mehr so groß. Und was die Menschen von Rot-Rot-Grün halten, haben sie auch im Saarland gezeigt.
Warum fordern Sie nie den Rücktritt von Innenminister Ralf Jäger?
Laschet: Weil er nicht mein Innenminister ist, sondern der von Frau Kraft. Die FDP fordert den Rücktritt seit einem halben Jahr penetrant, viel hat das nicht geändert. Wenn Frau Kraft glaubt, Jäger sei der beste sozialdemokratische Innenminister, den sie finden kann, dann entscheiden die Wähler, ob er noch einmal für fünf Jahre für die innere Sicherheit zuständig bleibt. Nur wer CDU wählt, kann das verhindern. Mein Vertrauen hat Jäger nicht.
Wir fragen mal so: Wer wäre denn für Sie dann als Ministerpräsident künftig das größere Sicherheitsrisiko: Herr Jäger oder Herr Remmel im Innenministerium?
Laschet: Ich kann mir keinen vorstellen, der das Amt schlechter ausübt als Herr Jäger. Er ist nicht für jeden Fehler persönlich verantwortlich. Aber dass er nie Haltung zeigt, immer sofort anderen die Schuld zuweist, das ist unerträglich, auch für die Polizistinnen und Polizisten. Im Fall des Terroristen Amri, in der Kölner Silvesternacht, bei den Hogesa-Krawallen, in Burbach bei den Flüchtlingsmisshandlungen - immer sollen andere Schuld sein. Mit der Aussage, er sei bis an die Grenzen des Rechtsstaats gegangen, nimmt er sogar einen Vertrauensverlust des Staates in Kauf.
Frau Kraft beschreibt die CDU derzeit als Wackeldackel, der seine Meinung immer mal wieder ändert: Rauchverbot, Studiengebühren, jetzt die Frauen-Förderung.
Laschet: Das ist ja absoluter Quatsch. Als die Studiengebühren vor Jahren abgeschafft wurden, waren wir dagegen, weil den Hochschulen Geld entzogen worden ist. Seit ich Fraktionschef bin, haben wir aber nie wieder beantragt, Studiengebühren zu erheben. Es steht auch nicht in unserem Wahlprogramm, im Gegenteil. Da steht: Wir lehnen sie ab. Es war die Verzerrung eines Zeitungsberichts und dies nimmt dann Frau Kraft als Anlass für ihre Polemik. Souverän ist das nicht für eine Ministerpräsidentin. Zum Rauchverbot: Wir sind nicht bei der SPD, wo der Vorstand ein fertiges Programm vorlegt und das unter lauten Martin-Martin-Rufen abgenickt wird. Der erste Entwurf wollte die Detailvorschriften überprüfen, weil es in 13 Ländern unterschiedliche Regelungen gibt. Unsere Basis wollte das aber nicht. Deshalb hat der Parteitag die Formulierung gestrichen. Das ist ein demokratischer Prozess. Und zur grundgesetzwidrigen Frauenregelung von Rot-Grün bei den Beförderungen? Wir als Parlamentarier hätten das ganz schnell mit einer Gesetzesvorlage verändern können. Wir haben als CDU-Fraktion dazu einen konkreten Gesetzesentwurf erarbeitet, denn wir sind Abgeordnete und keine Prozesshansel. Die FDP wollte gleich klagen. Dann haben Beamte selbst dagegen geklagt und immer Recht bekommen. Am Mittwochabend ist unser Vorschlag im Parlament an Rot-Grün gescheitert. Jetzt ist die Normenkontrollklage das letzte Mittel. Wo ist das jetzt Wackeldackel?
Man hat den Eindruck, der Graben zwischen CDU und FDP wird tiefer.
Laschet: Nein. Ich bin mit Christian Lindner persönlich freundschaftlich verbunden, wir kennen uns schon sehr lange. Ich habe ihm gesagt: Wenn Du sozialliberal machen kannst, wirst Du es machen. Und wir wollen das verhindern, weil wir davon überzeugt sind, dass es einen Wechsel an der Spitze der Regierung braucht. So ist das im Wettbewerb. Ansonsten finde ich, dass Deutschland eine liberale Partei braucht. Wenn die FDP jedoch versucht, Sprüche zu Lasten der CDU zu machen, wird die CDU sich wehren.
Herr Laschet, NRW hat sechsmal so viele Einbrüche wie Bayern, 62 000 waren es 2015, 2016 sind diese Zahlen um zehn Prozent zurückgegangen. Ist der Innenminister auf dem richtigen Weg?
Laschet: Nein, denn die Zahlen sind überdurchschnittlich hoch. Die Frage ist doch, warum? Weil es für Rot-Grün keine politische Priorität ist, das wirklich anzupacken. 144 Einbrüche gibt es im Schnitt am Tag, das sollte man mal in den Fokus nehmen. Aber stattdessen, trotz der vielen Überstunden bei der Polizei, lässt Herr Jäger Blitzermarathons durchführen. Wir sollten diese wirkungslosen PR-Mätzchen lassen, sondern besser mal einen Marathon gegen Einbrecher machen. Und: Wir sind zwar für offene Grenzen in der EU, aber im Hinterland muss man dann mal verdachtsunabhängig kontrollieren können. Diese Schleierfahndung gibt es erfolgreich in 13 deutschen Ländern, ganz gleich, welche Farben regieren. Und wo nicht? Bremen, Stadt Berlin und NRW. Warum ist eigentlich unser Land immer bei denen mit den geringsten Sicherheitsstandards?
Vielleicht, weil man zu wenig Polizisten hat in NRW?
Laschet: Die SPD verdeckt ihr Versagen in der Inneren Sicherheit mit hohen Zahlen für neue Polizisten in der Zukunft. Aber Innere Sicherheit herzustellen, Recht durchzusetzen, dafür braucht es eine Nulltoleranz-Politik gegenüber Kriminellen. Selbst wenn man 5000 Polizisten einstellt - wenn die nichts machen dürfen und keine Rückendeckung durch die Regierung haben, dann hilft das nichts. Den Beruf des Polizisten attraktiver zu machen, beginnt damit, ihn nicht unter Verdacht zu stellen. Deshalb lehnen wir die rot-grüne Kennzeichnungspflicht für Polizeibeamte ab. Und wir schlagen Polizeiverwaltungsassistenten vor, die Kriminalbeamte von bürokratischen Aufgaben entlasten. Das bringt mehr Polizisten auf die Straße. Ein Radargerät kann auch ein Assistent bedienen. Und diese Assistenten finden wir schneller, weil wir sie auch schneller ausbilden können.
Wie stehen Sie in der Schulfrage G8 oder G9?
Laschet: Der Mainstream 2004 war: Wir versuchen es in zwölf Jahren bis zum Abitur. Die rot-grüne Regierung bis 2005 hat das beschlossen, die schwarz-gelbe hat es dann eingeführt. Mit Problemen, weil die Mittelstufe zu sehr verdichtet wurde. Jetzt hat Frau Löhrmann in sieben Jahren Rot-Grün einen runden Tisch nach dem anderen einberufen mit dem Ergebnis, dass es immer schlimmer wurde und es jetzt Volksinitiativen gegen G8 gibt. Ich habe nicht nur mit den Verbandsvertretern, sondern mit den Praktikern und Betroffenen vor Ort geredet, unter anderem mit 25 Schulleitern, städtische und ländliche Schulen, aus meiner Region. Es gab völlig unterschiedliche Erfahrungen bis zu dem Hinweis, es laufe gut, weil die Busverbindungen stimmen und die Kinder um 14.30 Uhr zuhause sind. Andere stöhnen, dass die Kinder nicht vor 17.30 Uhr fertig sind. Die Probleme haben also immer ganz unterschiedliche Gründe. Das heißt für mich, dass wir für die Schulen, an denen alle zufrieden sind, G8 bleibt. Aber für die Eltern, Lehrer und Schüler, die 13 Jahre bis zum Abitur wollen, werden wir wieder ein echtes G9 einrichten. Das ist Wahlfreiheit.
Mathematik-Professoren in diesem Land stöhnen angesichts einer Entfachlichung des Unterrichts.
Laschet: Es wäre schon mal schön, wenn jeder, der eine nordrhein-westfälische Schule verlässt, rechnen, schreiben und lesen kann.
Das ist nicht so?
Laschet: Handwerksmeister beklagen genauso wie Hochschullehrer fehlende Kenntnisse bei vielen Schulabsolventen. Aus den Gesprächen vor Ort weiß ich, dass vieles schief läuft: Unser Problem ist Unterrichtsausfall, wir haben zu wenige Lehrer, die Inklusion wurde mit der Brechstange gemacht, Förderschulen wurden geschlossen, Sonderpädagogen nicht mitgeliefert, um die Kinder dann doppelt zu betreuen. Und Flüchtlingskinder werden nicht zuerst auf die deutsche Sprache vorbereitet, sondern direkt in die Klassen gebracht. Unsere Schulen werden damit massiv belastet. Und dann geht Qualität verloren, zulasten aller Kinder.
Der türkische Journalist Can Dündar sagte uns unlängst im Interview, es sei in diesem Land irgendetwas schief gegangen, wenn Leute, die hier in der dritten Generation leben und auf der Straße für die Todesstrafe in der Türkei schreien. Ist die Integration der Türken in Deutschland gescheitert?
Laschet: Nein, so pauschal kann man das nicht sagen und das entscheidet sich auch bestimmt nicht an Herrn Erdogan. Vier Millionen Menschen aus der Türkei haben wir hier, viele davon sind Teil unserer Gesellschaft. Aber einige, die man im Fernsehen sieht, bei denen ist zweifellos auch etwas schief gelaufen. Es ist inakzeptabel, die Todesstrafe zu fordern, weil sie nicht zu unserem Menschenrechtsstandard gehört. Im Übrigen wäre der Integration auch geholfen, wenn Frau Kraft endlich von ihrer Idee ablässt, Ausländern, die sich nicht einbürgern lassen wollen, das kommunale Wahlrecht zu geben. Das ist ein falsches Signal der Nachgiebigkeit an Erdogan.
Müssen wir uns darauf einstellen, dass tausende Flüchtlinge mit abgelehntem Asylbescheid künftig trotzdem bei uns bleiben werden?
Laschet: Asyl und Einwanderung ist zweierlei. Wer nicht schutzbedürftig ist, kann nicht hier bleiben und muss zurückgeführt werden. Und da ist NRW nicht an der Spitze, um es einmal vorsichtig zu sagen. Wir müssen Algerien, Marokko und Tunesien zu sicheren Herkunftsländern erklären. Ministerpräsident Kretschmann von den Grünen ist im Bundesrat dazu bereit, Frau Kraft stimmt nicht mit. Wir haben aber hier in NRW die meisten Nordafrikaner. Warum kümmert sich Herr Kretschmann mehr um unsere Probleme als Frau Kraft?
Wann erfahren wir etwas über Ihr Schattenkabinett?
Laschet: Wir laden Sie rechtzeitig ein.
Das Schattenkabinett also kommt?
Laschet: Wir haben im Moment ein Kabinett, das viele Schatten hat und sich Landesregierung nennt. Also: Wir werden einige Persönlichkeiten präsentieren, die für bestimmte Themen stehen. Ich halte allerdings nichts davon, zehn Minister zu benennen, von denen niemand weiß, ob das Ressort überhaupt von uns in einer Koalition besetzt werden kann. Dies wäre Wahlbetrug.
Von den 68 CDU-Abgeordneten tritt mehr als die Hälfte bei der Wahl nicht mehr an. Ist das ein Risiko für Sie?
Laschet: Nein. Einerseits sind es nicht ganz so viele und andererseits sind neue Köpfe gut, wenn man etwas Neues beginnt. Da kommen junge Leute mit neuem Schwung, es ist ein Generationenwechsel. Wir haben dann eine weiblichere und eine jüngere Fraktion. Und wir haben trotzdem noch viele mit Erfahrung.
Herr Laschet, wie ist eigentlich Ihr persönliches Verhältnis zum Würselener Martin Schulz?
Laschet: Persönlich gut. Ich kenne ihn lange, politisch ringen wir aber oft. Er stammt aus einer CDU-Familie, seine Mutter war einer der Gründerinnen der CDU, und er ist dann auf politische Abwege geraten (lacht). In der Europapolitik waren wir bis auf die Fragen der Eurobonds und der Türkei-Politik einig. Er hat den Karlspreis bekommen, und ich bin in dem Gremium, das den Preisträger auswählt. Aber: Wenn ein Aachener jetzt Ministerpräsident wird, reicht das mit hohen Staatsämtern für die Region. Dann kann die Bundeskanzlerin auch weiter aus Mecklenburg-Vorpommern kommen.