Der neue Job beginnt früher, als gedacht
In einem internationalen Team aus Franzosen, Spaniern, Briten und Deutschen arbeite ich nun in einem Restaurant in Melbourne. Das soll nun endlich Geld auf mein leeres Konto spülen.
Melbourne. Ich habe eine neue Wohnung, ich habe einen neuen Job - und alles könnte so schön sein. Aber leider ist mein Job bisher ja reine Theorie. In der Praxis ist das Restaurant eben noch gar nicht eröffnet - und bis auf zwei Teamtreffen sowie eine sehr schöne Dinnerparty, zu der wir alle vom designierten Arbeitgeber eingeladen wurden, ist noch nichts gelaufen.
Vor allem nichts, was Geld auf das Konto spülen würde. Meine bisherige Reise hat mich zwar Geduld und Durchhaltevermögen gelehrt. Aber als ich vor drei Tagen auf mein Konto geschaut und festgestellt habe, dass es noch genau 26 Dollar enthält, ist mir doch kurzzeitig schlecht geworden. 26 Dollar kann man in Australien durchaus mal für ein Hauptgericht in einem mittelmäßigen Restaurant auf den Tisch legen.
Aber es reicht auf lange Sicht nicht für mehr als die Zwei-Minuten-Nudeln, mit denen sich junge Backpacker am Ende ihres Taschengeldes von Mami und Papi typischerweise durchschlagen. Nicht einmal für Goon, den billigen Wein, der in Vier-Liter-Kartons daherkommt. Und ganz sicher reichen 26 Dollar nicht für irgendetwas Spaßiges, mit dem man all die freien Tage im teuren Melbourne ausfüllen könnte. Also investiere ich die Hälfte des knappen Budgets in ein Buch und beschließe, am Flussufer in der Sonne zu liegen und zu lesen. Wenigstens den Sonnenschein gibt es hier ja gratis.
Auf dem Weg zu einem Streifen Grün am Yarra River passiere ich unser neues Restaurant und beschließe, meiner Mitbewohnerin und künftigen Kollegin Georgie Hallo zu sagen, die dort gerade die Bar einräumt - in einer Woche soll Eröffnung gefeiert werden. Aber bis zum Hallo lässt sie mich gar nicht kommen, als sie mich in der Tür sieht. "Rat' mal was?!", ruft sie mir zu. "Wir öffnen jetzt doch am Samstag!" Das ist übermorgen. Ich sehe mich um. Die Bank, die rund um das Lokal führen soll, ist nur ein Holzgerippe, kein Stuhl oder Tisch steht im Raum, das, was mal eine riesige Spiegelwand werden soll, ist noch eine leere Fläche. Irritierend.
Aber eines habe ich gelernt über dieses Land: Es wird zwar weniger geplant als in Deutschland, mehr Raum gelassen für Chaos und Zufall. Aber am Ende klappt es ja doch meistens - und macht dabei auch noch mehr Spaß. Am nächsten Morgen trifft sich das gesamte Team auf der Baustelle, die am Abend darauf ein schickes Restaurant sein soll. Und jeder packt mit an, als wäre es sein eigenes Lokal. Tische werden gerückt, die Marmortheke gewienert, kartonweise Gläser ausgepackt und poliert, hochwertige Liköre in Glasregale und Kisten mit internationalen Bieren ins Kühllager geräumt.
In meinem letzten Job hatte ich fast nur Australier um mich und war als Backpackerin der Exot. Jetzt bin ich Teil eines jungen Teams aus Italienern, Franzosen, Brasilianern, Deutschen, Briten ... Hätte mir vor einem Monat jemand vorausgesagt, dass das hier passieren würde, ich hätte ihn für verrückt erklärt. Aber ja: Ich habe Spaß. Und nach zehn Stunden Schufterei sieht der Raum tatsächlich aus wie ein Restaurant. Wir alle sind geschafft und stolz. Gespannt auf den Moment, wenn sich am nächsten Tag die Türen öffnen. In dieser Nacht werde ich nicht viel schlafen. Aber ich werde zum ersten Mal in dieser Woche auch nicht einen Gedanken an meinen mageren Kontostand verschwenden.