Frauen im Schatten: Nach WM-Boom droht Liga-Frust

Sinsheim (dpa) - Mit vollen Stadien und TV-Rekorden bietet die WM dem Frauenfußball eine Glamourbühne, im Alltag kann so mancher WM-Teilnehmer seine Nationalspielerinnen nicht mal in einer Liga präsentieren.

„Viele unserer 208 Mitgliedsverbände haben nur Frauen-Nationalmannschaften, U 17 und U 20, aber noch keine Ligen. Hier müssen wir ansetzen“, sagt Weltverbandschef Joseph Blatter. Der Nachholbedarf ist riesig.

Eine klare Ligenstruktur wie bei WM-Gastgeber Deutschland gibt es gerade außerhalb Europas kaum. Seit 1990 gibt es eine Frauen-Bundesliga, seit 1997 ist das Oberhaus eingleisig und besteht zurzeit aus zwölf Mannschaften. Den Unterbau bilden seit 2004 zwei 2. Bundesligen und mehrere Regionalligen. Allerdings sehen nur gut 800 Besucher im Schnitt Spiele der Bundesliga an. „Keine Frage: Das Zuschauerinteresse in der Bundesliga ist stark ausbaufähig“, meint Nationalmannschafts-Managerin Doris Fitschen.

Nicht anders sieht es beim deutschen Viertelfinal-Gegner Japan aus. Neun Klubs spielen in der L-League, auch „Nadeshiko League“ genannt. Sie existiert seit 1989 und galt Mitte der 90er Jahre als eine der stärksten Ligen der Welt. Die Spiele werden aber selbst bei freiem Eintritt von nicht einmal 1000 Zuschauern besucht.

Sogar im Dollar-Paradies USA ist es schwer, eine dauerhaft funktionierende Profiliga zu installieren. Immer wieder gab es finanzielle Probleme. Die 2001 gegründete WUSA scheiterte zwei Jahre später. Momentan spielen sechs Klubs in der 2009 ins Leben gerufenen Profiliga WPS, alle sechs sind an der Ostküste beheimatet.

Das Interesse ist mager, im Premierenjahr kamen nur rund 4 400 Zuschauer im Schnitt. Und das trotz der Stars wie der Brasilianerin Marta, der Kanadierin Christine Sinclair oder der Engländerin Kelly Smith. Der Meister von 2010, FC Gold Pride, fand für die Saison 2011 nicht genügend Sponsoren und wurde mittlerweile aufgelöst.

Das benachbarte Kanada, Gastgeber der nächsten WM 2015, hat die gemeinsam mit den USA gegründete W-League aufgrund der großen Entfernung in fünf Divisionen eingeteilt. In Mexiko gibt es gar keine nationale Liga. „Die Gründung einer solchen ist der nächste Schritt, den wir gehen müssen“, sagt Nationaltrainer Leonardo Cuellar. Die besten Spielerinnen spielen in den USA oder - wie Superstar Maribel Dominguez - in Spanien. Auch in Kolumbien gibt es lediglich Regionsmeisterschaften.

In Brasilien war der Frauenfußball von 1965 bis 1982 verboten. Einen offiziellen Ligenspielbetrieb gibt es erst seit 2007, die Regionalmeisterschaft läuft jedoch nur über vier Monate. So wandern die besten Spielerinnen ins Ausland ab.

Auch im afrikanischen Fußball sucht man einen organisierten Spielbetrieb auf nationaler Ebene vergebens. Im Land des Afrikameisters Nigeria ist das Interesse am Frauenfußball zwar riesengroß, es gab sogar Public Viewing während der WM 2011. Doch es fehlt an der nötigen Organisation. Über WM-Exot Äquatorial-Guinea ist kaum etwas bekannt, genauso wie über Nordkoreas Frauenfußball.

In Australien existiert seit 2008 die W-League, in der fast alle Nationalspielerinnen aktiv sind. Mit 200 bis 300 Zuschauern pro Begegnung ist das Interesse jedoch überschaubar. In Neuseelands höchster Spielklasse treten die sieben Vertreter der sieben Regionalverbände jeweils einmal gegeneinander an.

Beispielhaft ist dagegen Skandinavien mit seinem gefestigten Ligensystem. „Dahinter steht die Tatsache, dass Frauen und Männer bei uns gleichberechtigt sind. Für mich war es als Kind das Normalste der Welt, zum Fußball zu gehen“, sagte die schwedische Topstürmerin Lotta Schelin der „Süddeutschen Zeitung“.

In der schwedischen „Damallsvenskan“ wird seit 1988 um den Titel gespielt. 1000 Zuschauer kommen pro Partie, sechs bis acht Begegnungen werden pro Saison live im Fernsehen übertragen. Eine Reihe von WM-Spielerinnen anderer Nationen ist in der Liga aktiv. Norwegens Nationalliga „Toppserien“ gibt es sogar bereits seit 1984. Gut 100 000 Frauen spielen hier organisiert Fußball.

Eher stiefmütterlich wird der Frauenfußball dagegen in England und Frankreich behandelt. Der Alltag in Englands FA Women's Premier League steht klar im Schatten der Männer-Liga. Die Franzosen stellen mit Olympique Lyon zwar den Champions-League-Sieger, doch über die Nationalliga berichten die heimischen Medien kaum.