Friedensgipfel: Zwanziger lädt Neid-Kritiker ein
Frankfurt/Main (dpa) - Kommunikation statt Konfrontation: Nach einem verbalen Rundumschlag von DFB-Präsident Theo Zwanziger gegen die Chef-Kritiker von Silvia Neid zeichnet sich in der Debatte um die Bundestrainerin ein erster Friedensgipfel ab.
Er werde Bernd Schröder (Trainer Turbine Potsdam) und Siegfried Dietrich, Manager des 1. FFC Frankfurt, kommende Woche nach Frankfurt einladen, sagte der Chef des Deutschen Fußball-Bundes in einem Interview der Nachrichtenagentur dpa. Dort solle besprochen werden, „wie die weitere Zusammenarbeit konkret aussehen kann“.
Alle Unstimmigkeiten im Streit um die Wortführung im deutschen Frauenfußball sind allerdings längst nicht beseitigt, verletzte Eitelkeiten und öffentliche Schuldzuweisungen verhinderten bislang den Dialog. Zunächst fordert Zwanziger eine Entschuldigung der beiden Vereinsvertreter bei Neid. „Ich hoffe, dass die Herren Größe zeigen, auf Silvia Neid zugehen und ihr sagen: So haben wir das nicht gemeint und gewollt“, betonte er und versuchte die längst entbrannte öffentliche Diskussion zu unterbinden. „Wir dürfen deshalb keine Gemeinsamkeiten opfern und eine Streitkultur wie im Männerfußball einführen.“
Er sei zu einem Gespräch „bereit“, sagte Schröder auf dpa-Anfrage, für eine Entschuldigung sieht er aber zunächst keinen Anlass. „Dafür gibt es gar keinen Grund. Silvia Neid darf Ursache und Wirkung nicht verwechseln, sie hat mich vor drei, vier Wochen angegriffen und öffentlich lächerlich gemacht.“ Seinen kritischen Standpunkt in Bezug auf Neid, zu der nach seinen Angaben seit Beginn der WM „Funkstille“ herrsche, will der Trainer auch weiter beibehalten: „Wer den Wert des Widerspruchs nicht zu schätzen weiß, ist auch nicht bereit zu Eigenkritik. Streit bringt Wahrheit.“
Die von Zwanziger initiierte Grandenrunde, an der auch DFB-Vizepräsidentin Hannelore Ratzeburg teilnehmen soll, sei „eine gute Entwicklung, die ich mir auch gewünscht habe“, meinte Dietrich. „Ich bin sicher, dass wir mit ihm als Vermittler auf eine gemeinsame Spur finden.“ Der FFC-Manager mahnte ebenfalls eine inhaltliche Auseinandersetzung mit dem WM-Scheitern an. „Es muss möglich sein, dass man faire, sachliche und konstruktive Kritik betreibt“, sagte er. „Meine Aussagen waren zu jeder Zeit angemessen und respektvoll und in keinster Weise persönliche Angriffe gegen Silvia Neid.“
Zwanziger zeigte sich durch den für den Frauenfußball ungewöhnlichen Gegenwind für die 47-Jährige, die er während der WM als „seine Trainerin“ bezeichnet hatte, hingegen „ehrlich enttäuscht“. „Verband und Clubs sitzen in einem Boot, da kann man doch nicht plötzlich selbst Löcher in den Bug schießen und das Boot damit zum Kentern bringen“, mahnte der DFB-Chef.
Dass die See rauer geworden ist, haben auch der DFB und die Bundestrainerin mit ihrem Schlingerkurs nach dem Viertelfinalaus zu verantworten. Zwanziger zeigte jedoch Verständnis, dass Neid erst keine Motivationsprobleme hatte, dann einen Rücktritt offen ließ und sich schließlich doch zur Vertragserfüllung entschloss.
„Sie ist im Moment immer noch nicht in der Lage, das Abschneiden abschließend zu analysieren, sie ist immer noch aufgewühlt“. Da könnten „schon mal widersprüchliche Reaktionen“ kommen. Die Initiative zum entscheidenden Gespräch vor der überraschenden Neid-Kehrtwende sei von ihm und Generalsekretär Wolfgang Niersbach ausgegangen, offenbarte der DFB-Präsident. „Wir haben gesagt: Wir müssen jetzt mit ihr sprechen.“
Dass Birgit Prinz ihrer langjährigen Trainerin in der WM-Nachbetrachtung mangelnde Kommunikation vorwarf, löste bei Zwanziger ebenfalls großes Unbehagen aus. „Sie muss es jetzt nur verarbeiten und abhaken und dann mit dem DFB zu einer würdevollen Verabschiedung kommen. Das ist die einzige Aufgabe, das Nachkarten macht doch keinen Sinn.“
Die Rekordnationalspielerin, die ihr DFB-Karriereende auf der Bank erleben musste, habe laut Dietrich „ihre Situation und Gefühlslage in einer angemessenen und ehrlichen Art und Weise“ deutlich gemacht: „Ihr steht das zu, zumal sie sich während der WM äußerst mannschaftsdienlich verhalten hat und in den Medien Äußerungen aus ihren persönlichen Gesprächen mit Silvia Neid lesen musste.“
Da alle Parteien das Beste für den deutschen Frauenfußball wollen, wären sie gut beraten, so schnell wie möglich wieder miteinander statt übereinander zu reden. Die grundsätzlichen Positionen scheinen zumindest nicht gänzlich unvereinbar, der gemeinsame Weg aus der Krise muss aber noch gefunden werden. „Alles Weitere sollte man nun zusammen mit einer guten Analyse im internen Kreis besprechen“, forderte auch Dietrich abschließend.