Viele Tabus und eine Hochzeit: Lesben im Fußball
Frankfurt/Main (dpa) - Nationaltorhüterin Nadine Angerer bekennt sich zu Männern und Frauen, ihre Stellvertreterin Ursula „Uschi“ Holl hat ihre Lebensgefährtin sogar geheiratet. Fußballerinnen gehen mit dem Thema Homosexualität offener um als ihre männlichen Kollegen - vordergründig.
„Im Frauenfußball muss man da keine Bedenken haben“, erklärt Angerer. „Aber im Männerfußball geht es eben rauer zu. Ich kann nicht so recht einschätzen, wie die Fans da reagieren würden.“
Theo Zwanziger, der Präsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), hat sich dem Kampf gegen Homophobie verschrieben. Die Balance zwischen gesellschaftlichem Engagement und lockerem Umgang ist dabei nicht immer leicht zu halten. Bei einem Empfang mit großer Prominenz in der Frankfurter DFB-Zentrale begrüßte Zwanziger in seiner Rede Tanja Walther-Ahrens schwungvoll mit den Worten: „Sie ist verheiratet mit einer Frau und die erwarten jetzt ihr erstes Kind. Eine tolle Geschichte.“
Walther-Ahrens, eine frühere Bundesliga-Spielerin, engagiert sich beim Berliner SV Seitenwechsel und in der European Gay and Lesbian Sport Federation. „Fußball ist ein Abbild der Gesellschaft. Wenn wir hier etwas ändern können, kann man vielleicht auch in der Gesellschaft etwas ändern“, sagt die Sportwissenschaftlerin. Denn Homosexualität „empfinden heute manche noch als krank“. Durch die Darstellung der Schiedsrichter-Affäre um Michael Kempter und Manfred Amerell, die für viele Schlagzeilen vor allem in den Boulevard-Medien gesorgt hat, so ärgert sich Walther Ahrens, „ist das Thema zurück in der Schmuddelecke.“
Bis heute hat sich kein Bundesliga-Profi bei den Männern als schwul geoutet, und praktisch alle in der Szene raten davon ab - aus Furcht vor üblen Beleidigungen von Fans. „Ich weiß nicht, unter welchem Druck sie stehen. Ich denke, dass Deutschland ein sehr, sehr tolerantes Land ist“, sagt die Frankfurter Torhüterin Angerer. Sie hatte in einem „Zeit“-Interview auf die Frage, ob es im Fußball mehr lesbische Frauen gibt als anderswo, geantwortet: „Ich persönlich bin da offen, weil ich der Meinung bin, dass es nette Männer und nette Frauen gibt, und weil ich eine Festlegung generell total albern finde.“
Explizit geoutet hat sich aber auch bei den Fußballerinnen kaum jemand. Die junge Generation - wie Stürmerin Alexandra Popp - küsst schon mal nach einem Länderspiel offen ihren Freund - aber niemand seine Freundin. Publik wurde vor längerer Zeit ein Verhältnis zwischen den Duisburger Nationalspielerinnen Linda Bresonik und Inka Grings, und in Frankfurter Kneipen mit lesbischem Publikum sieht man schon mal die eine oder andere Spielerin des FFC. Doch im Prinzip ist das Thema in der Öffentlichkeit tabu. Hinter versteckter Hand heißt es schon mal: Man befürchte Nachteile bei der Vermarktung, zumal diese Maschinerie im Vorfeld der WM erstmals richtig angelaufen ist.
Dabei sagt Nationalteam-Managerin Doris Fitschen: „Es gibt beim DFB keinen Verhaltenskodex für Spielerinnen, was ihre sexuelle Orientierung betrifft. Es wird niemandem untersagt, sich zu outen. Ich bin davon überzeugt, dass für eine Spielerin dadurch keine Nachteile entstehen.“ 1995 war das noch anders: Da untersagte der DFB seinen Auswahlspielerinnen, an den Euro Games der Schwulen und Lesben in Frankfurt teilzunehmen. Einige wollten aus Spaß daran teilnehmen, doch am Ende riskierte es keine, ein Jahr vor der Olympia-Premiere in Atlanta aus dem Kader zu fliegen.
Von Uschi Holls Hochzeit mit ihrer Carina wurden sogar Bilder veröffentlicht. Durch Zufall stießen die Medien im Juni vergangenen Jahres auf die Trauung im Kölner Rathaus, weil an diesem Tag bei der WM in Südafrika Männer-Deutschland gegen Serbien spielte. Eigentlich lautete die Story: Wer heiratet eigentlich während einer Liveübertragung? Selbst Holl sagt über die Tatsache, dass sie eine Gattin hat: „Das ist ja meine Privatsache.“ Dem Magazin „11 Freundinnen“ haben die beiden inzwischen aber ein Interview gegeben. „So wie die Partner meiner Mitspielerinnen hat natürlich auch meine Frau eine Karte“, sagt die 28 Jahre alte Keeperin vom FCR 2001 Duisburg vor dem Eröffnungsspiel der deutschen Mannschaft am Sonntag in Berlin gegen Kanada.
DFB-Präsident Zwanziger hat leise Hoffnungen, dass mehr Offenheit bei den Fußballerinnen auch das Verhalten der Männer ändert. „Die Frauen sind da möglicherweise eine Art Eisbrecher und wir haben sie dabei immer unterstützt“, sagt er. „Aber schlussendlich ist es jedermanns Sache, ob er das privat mit sich ausmacht oder auch öffentlich darstellt.“ Walther-Ahrens meint: „Es würden mehr Mädchen und Frauen spielen, wenn das Lesben-Klischee nicht da wäre.“