Weltcup in Ruhpolding Auf die norwegische Art: Preuß zu Hause im Gelben Trikot
Ruhpolding · Franziska Preuß tritt erstmals in ihrer Karriere als Weltcup-Führende in ihrer Heimat an. Der Weg dorthin war lang, doch das große Ziel der besten deutschen Biathletin ist ein anderes.
Mit kleinen Rückschlägen hält sich Franziska Preuß nicht lange auf. „Das muss man jetzt abhaken und dann wieder mit frischem Wind in Ruhpolding am Start stehen“, sagte Deutschlands beste Biathletin vor dem zweiten Teil der Weltcup-Heimspiele. In der vergangenen Woche in Oberhof lief es für die 30-Jährige nicht gut, weil ihr Vorsprung im Gesamtweltcup aber enorm war, tritt die Ex-Weltmeisterin auch in ihrem Wohnort am Donnerstag (14.20 Uhr/ARD und Eurosport) wieder im Gelben Trikot der Gesamtführenden an. In ihrer langen Karriere ist das ein besonderer Moment.
Nicht weit weg von der Chiemgau Arena hat sie mit ihrem langjährigen Partner Simon Schempp ein Holzhaus gebaut. Vor sechs Jahren feierte sie im Massenstart ihren ersten Weltcupsieg in Ruhpolding - und musste nach vielen gesundheitlichen Rückschlägen bis zu diesem Winter warten, bis endlich Nummer zwei und drei folgten.
Der Gewinn des Gesamtweltcups ist nicht das große Ziel
„Sie hat unglaublich konstante Leistungen gezeigt“, sagte Sportdirektor Felix Bitterling. Sechs Podestplätze in Serie brachten Preuß in der Gesamtwertung weit vor die Konkurrenz, die Ränge 28 (Sprint) und 20 (Verfolgung) sowie eine Strafrunde in der Mixedstaffel in Oberhof werden als Ausrutscher verbucht. „Irgendwie war die Woche nicht das Gelbe vom Ei“, sagte Preuß rückblickend: „Aber es hilft nichts, das ist Biathlon und das kennt jeder von uns.“
Im Einzel über 15 Kilometer in Ruhpolding soll es anders laufen. Schon jetzt ist klar, dass sie auch im Massenstart am Sonntag das gelbe Leibchen tragen wird, die 116 Punkte Rückstand kann die Französin Lou Jeanmonnot nicht aufholen. Als erste Deutsche seit Laura Dahlmeier 2016/2017 den Gesamtweltcup zu gewinnen, ist aber gar kein Ziel für Preuß.
Der Fokus liegt auf den Weltmeisterschaften im Februar im schweizerischen Lenzerheide und den Olympischen Winterspielen 2026 in Italien. An beiden Orten trainierte Preuß in der Saisonvorbereitung - ohne ihre Teamkolleginnen. Dafür mit Partner Schempp, der mit viermal WM-Gold vor seinem Karriereende 2021 noch etwas erfolgreicher war als seine Freundin. „Ich habe meine Linie durchgezogen, ich war bei fast keinen Lehrgängen dabei“, sagte Preuß im Wintersport-Podcast der „Sportschau“.
Im Training eine Einzelgängerin
Während der Rest der Mannschaft gemeinsam trainierte, ging Preuß ihren eigenen Weg. In der Vergangenheit war sie nach Höhentrainingslagern oft krank geworden. „Da fehlt mir ein bisschen die Überzeugung teilweise“, sagte Preuß zum Gruppentraining: „Ich bin jetzt seit elf, zwölf Jahren im Weltcup, für mich ist es gar keine Motivation mehr, auf offizielle Lehrgänge zu fahren.“
Ein Problem ist das für den Verband nicht - im Gegenteil. „Franzi ist sehr ehrlich. Man kann mit ihr offen über positive und negative Dinge reden, das macht das Verhältnis zwischen Coach und Athlet sehr einfach“, sagte Trainer Sverre Olsbu Röiseland dem ZDF: „Franzi ist immer offen für neue Dinge. Sie will mitverantwortlich sein für ihr eigenes Training, diese Einstellung haben viele norwegische Athleten auch.“
Auch die Stars aus Skandinavien bleiben gerne alleine und entscheiden selbst, wie, wann und wo sie trainieren. Der Norweger Röiseland, Ehemann von Rekordweltmeisterin Marte Olsbu Röiseland, pflegt ein tadelloses Verhältnis zu Preuß. Die Älteste im Team bekommt die Freiräume, die sie sich wünscht. Mit Leistung zahlt sie das Vertrauen zurück und ist aktuell in der Form ihres Lebens.
Keine Kompromisse für den Medaillen-Traum
„Ich habe im Training wenig Kompromisse gemacht. Ich habe da wirklich mein Ding durchgezogen, habe viel alleine trainiert“, sagte Preuß. Vor drei Jahren saß sie krank zu Hause, verpasste das Heimspiel in Ruhpolding völlig frustriert. Weder bei Olympia 2022 noch bei den anschließenden Weltmeisterschaften war sie je topfit und dachte schon ans Aufhören.
Eine Operation der Nasennebenhöhlen sorgte im Frühjahr für das Ende ihrer langen Leidensgeschichte. „Ich bin froh, dass man medizinisch etwas gefunden hat, was der Grund dafür war, dass ich so anfällig war“, sagte Preuß. Nun ist eine Erkältung höchstens noch ein Problem von ein paar Tagen, nicht mehr von mehreren Wochen.
So gestärkt rückt der Gewinn ihrer zweiten Einzelmedaille bei einem Großereignis ins Visier. Vor knapp zehn Jahren war ihr das in Kontiolahti mit Silber im Massenstart gelungen, wenige Tage zuvor hatte sie mit 21 Jahren ihre einzige Goldmedaille mit der Staffel gewonnen. Auch das zu wiederholen, wäre ein Traum. Vielleicht sogar noch bis zur WM das Gelbe Trikot zu tragen, ist hingegen eher eine schöne Zugabe: „Jedes Rennen, in dem ich damit laufen darf, ist irgendwie ein Erfolg.“
© dpa-infocom, dpa:250114-930-343692/2