Analyse Bergischer HC: Kraftakt für die Perspektive
Essen/ Wuppertal · Für den Aufstieg in Deutschlands Handball-Eliteliga darf sich eine erste Halbzeit des BHC wie in Essen nicht wiederholen.
Als am vergangenen Sonntag in der Sporthalle „Am Hallo“ in Essen-Stoppenberg die Schlusssirene ertönte, da liefen die Spieler des Bergischen HC völlig losgelöst zu ihren rund 200 Fans und jubelten ausgelassen. Der Ausbruch an Freude spiegelte eine Mischung von Stolz und Erleichterung wider. Mit 24:23 hatte das Team des Trainer-Duos Markus Pütz und Arnor-Thor Gunnarsson zum Start in die Rückrunde der zweiten Handball-Bundesliga beim TuSEM gewonnen. Ein Sieg, auf den zur Pause rein gar nichts hindeutete. Mit 11:16 war es in die Kabine gegangen, der Auftritt erinnerte an den verkorksten Jahresausklang 2024. Da hatte Tabellenführer BHC mit zwei Niederlagen beim VfL Eintracht Hagen sowie gegen den Dessau-Rosslauer HV seinen Vorsprung auf einen Zähler schmelzen lassen. „Die erste Halbzeit können wir noch unter Dezember 2024 verbuchen. In der zweiten Halbzeit aber gab es dann sehr viel von dem zu sehen, was in der Winter-Vorbereitung erarbeitet wurde. Wir haben eine fantastische Deckung gezeigt sowie im Angriff mit nur ganz wenigen Fehlern gespielt“, sagte der sportliche Leiter Fabian Gutbrod. Bereits zehn Minuten nach der Pause hatte der BHC durch einen 7:2-Lauf auf 18:18 gestellt, insgesamt ließ der nach einer kurz vor Weihnachten erfolgten Daumen-Operation mit einer Bandage spielende Torhüter Christopher Rudeck in der zweiten Hälfte nur noch sieben Treffer der Gastgeber zu. „Wir haben uns richtig gut ins Spiel zurückgekämpft und sind stolz, als erste Mannschaft in dieser Saison hier gewonnen zu haben“, meinte Gunnarsson.
„Haben uns vor der Pause zu sehr mit Dingen nebenher beschäftigt“
In der Tat hatte der einstige deutsche Meister von der Essener Margarethenhöhe alle seine zuvor acht Heimspiele gewinnen können. Dass der BHC um diesen Fakt wusste, offenbar aber nicht auf ihn eingestellt war, gab Rätsel auf. „Beim TuSEM zu spielen, ist immer unangenehm. Die Mannschaft kommt mit viel Leidenschaft, Härte und Kampf. Diesen Kampf haben wir in der ersten Hälfte nicht angenommen, so ehrlich muss man sein“, meinte Rückraumspieler Eloy Morante Maldonado. Lediglich Djibril M‘Bengue wollte ein Zeichen setzen, traf dabei jedoch Gegenspieler Alexander Schoss mit der Hand im Gesicht und wurde deshalb nach 23 Minuten vorzeitig zum Duschen geschickt. „Wir bekommen viel zu viele Zeitstrafen, sind von daher oft in Unterzahl und beschäftigen uns obendrein zu sehr mit Dingen nebenher“, erklärte Trainer Pütz.
Was der 38-Jährige meinte, war nicht nur die aufgeheizte Stimmung in der mit 2578 Zuschauern voll besetzten Halle, sondern auch eine vor der Pause schwache Leistung der Schiedsrichterinnen Katharina Heinz und Sonja Lenhardt. Das Duo lag zwar mit der Roten Karte für M‘Bengue richtig, bewertete allerdings später zwei gleiche Vergehen auf Essener Seite jeweils lediglich mit Zwei-Minuten-Strafen. Zudem war die Verteilung von Siebenmetern zunächst einseitig und blieb der TuSEM in zwei Situationen trotz technischer Fehler in Ballbesitz. Wie der BHC steigerten sich die Unparteiischen nach dem Seitenwechsel, die Trainer hielten sich mit Kritik zurück. „Thema in der Pause sind nicht gegnerische Spieler, Zuschauer oder die Schiedsrichterinnen gewesen. Das Thema war, sich zu konzentrieren und an den Sieg zu glauben“, sagte Gunnarsson.
Der gelang dann tatsächlich noch, auch weil der frühere Essener Morante Maldonado an alter Wirkungsstätte aufdrehte. Mit acht Treffern hatte der 26-jährige Opladener maßgeblichen Anteil an der Wende. Eine Wende, die mit Blick auf die Siege der Konkurrenz überaus wichtig war. Bei einer Niederlage wäre der BHC dem Trio GWD Minden, HBW Balingen-Weilstetten und TV Hüttenberg (alle jeweils 25:11 Punkte) plötzlich hinterhergelaufen – so bleibt er mit 26:10 Zählern weiter an der Spitze. Um aufzusteigen aber dürfen auswärts schon öfter verschlafene Anfangsphasen nicht mehr passieren. Zunächst aber geht es in Wuppertal gegen den HSC Coburg (Sonntag, Anwurf 17 Uhr, Uni-Halle). „Das Hinspiel in Coburg war eng, wir müssen die Uni-Halle wieder zur Festung werden lassen. Es wird für uns das erste von 16 Endspielen“, meinte Maldonado.
Drei Vertragsverlängerungen und zwei Sommer-Zugänge
Dass die Rückkehr ins Oberhaus höher zu bewerten sei als der mit früher zusammengestelltem wie auch stärkerem Personal erreichte Aufstieg 2018, hatte Geschäftsführer Jörg Föste im Interview mit der WZ bereits betont. Von daher kann er bei der Kaderplanung nicht warten, bis die Liga-Zugehörigkeit feststeht. Also vermeldete der BHC im Dezember, dass Djibril M‘Bengue (32/Rückraum rechts), Tomas Babak (31/Rückraum Mitte) und Yannick Fraatz (25/Rechtsaußen) ihre Verträge liga-unabhängig verlängert haben. Zudem wurden bereits zwei Zugänge präsentiert. Für den linken Rückraum kommt Nico Schöttle (22) vom Erstligisten TVB Stuttgart. Von RK Vardar Skopje wechselt der niederländische Kreisläufer Lars Kooij (24) ins Bergische Land.
Dass der BHC seinen Kader für diese Saison erst sehr spät beisammen hatte, lag trotz sportlichem Abstieg an der absolut gerechtfertigten Möglichkeit des Klassenerhalts am grünen Tisch. Der BHC hatte die Prüfung von finanziellen Verfehlungen des HSV Hamburg verlangt. Nachdem den Hamburgern die Lizenz zunächst auch entzogen, dann aber hinter verschlossenen Türen doch wieder erteilt wurde, sorgte für einen Rechtsstreit. Dieser wurde schließlich Mitte Juni gegen Zahlung eines finanziellen Ausgleichs an den BHC beigelegt, was seitens der Liga nichts anderes als ein Schuldeingeständnis darstellt und welches nun auch etwas nach sich ziehen wird.
„Der Sachverhalt von damals hat Folgen. Auf einer außerplanmäßigen Sitzung mit erster und zweiter Liga soll beschlossen werden, dass die Lizenz-Ordnung tiefgreifend verändert wird. Das ist eine direkte Reaktion auf die Vorkommnisse aus dem vergangenen Sommer“, sagte Föste im Podcast von „Solinger Tageblatt“ und „Radio RSG“.