Das einsame Imperium
Die Klitschkos sind auf dem Gipfel ihrer Karriere. Jetzt muss es irgendwie weitergehen. Es läuft ja gerade so gut.
Düsseldorf. Wenn man das Bruderpaar auf dem Gipfel ärgern will, muss man es mit der Wahrheit konfrontieren. „Ich habe alle Schwergewichtslisten durchgeschaut“, sagte am Dienstag ein Journalist zu Wladimir und Vitali Klitschko. „Es gibt keinen Gegner mehr, der ihnen gefährlich werden könnte.“ Wladimir schaut ernst, Vitali freundlich. Dann fragt Wladimir aufgeregt und noch voller Adrenalin, drei Tage nach seinem WM-Sieg gegen David Haye: „Kannten Sie Haye schon lange?“ Und Vitali fügt an: „Haye, einst Mike Tyson. Sie alle kamen aus dem Nichts. Auch jetzt gibt es viele Junge. Und jeder will uns von oben wegboxen.“ Wer genau das ist, das sagen die Klitschkos nicht.
Von oben. Was das heißt, hat die Klitschko Management Group vor den Hauptdarstellern einer Videokonferenz eindrucksvoll aufgebaut. Alle fünf Weltmeister-Gürtel liegen auf dem Konferenztisch, dahinter thront dieses ukrainische Bruderpaar, das sich vor 15 Jahren aufgemacht hat, in Deutschland zu Ruhm und in der Boxwelt zu Titeln zu kommen. 2011 ist das Ziel erreicht. Alles gewonnen, Wladimir ist 35 Jahre alt, Vitali wird in zwei Wochen 40. Was soll da noch kommen? „Sie wollen das Ende des Klitschko-Elends?“ sagt Wladimir und gibt die Antwort mit dem Gestus eines frisch gekürten Champions. „Da müssen sie noch lange, lange warten.“ Vitali sagt: „Wenn es soweit ist, werden wir es bekannt geben.“
Natürlich muss man warten. Es läuft doch gerade so gut. Die Klitschkos sind auf dem Höhepunkt. Der übertragende Fernsehsender RTL reibt sich die Hände, Rekord-Einschaltquoten, fünf weitere Kämpfe der Familie Klitschko sind mit dem Kölner Sender fest vereinbart. Von drei Millionen Euro pro Kampf ist die Rede. Gefragt sind Gegner mit Show-Talent, wie es Haye geliefert hat, weniger boxerische Klasse. Wo ein Klitschko in den Ring steigt, fließt das Geld im Akkord. Und die Maschinerie muss laufen. Jetzt, wo es so schön ist.
Vitali interessiert das alles angeblich nicht. „Geht ein Boxer mit finanziellen Gedanken in den Kampf, verliert er.“ Am 10. September kämpft er in Breslau gegen den Polen Tomasz Adamek, Wladimir wird im letzten Jahresviertel 2011 seine Titel verteidigen. Das Opfer? Noch unbekannt. Es könnte im Duell der Engländer zwischen Dereck Chisora (27) und Tyson Fury (23) ermittelt werden.
Es kann aber auch alles anders sein. Weil die Klitschkos einen Manager haben, der mit seinen Klienten von ganz oben nach unten blickt. Bernd Bönte verhandelt die Kämpfe, immer aus der Position der Stärke, mit der sich seine einzigen Pferde im Stall durch den Boxring schlagen.
Dass die Welt von einem Kampf zwischen Vitali und David Haye spricht, lässt den ehemaligen Sportjournalisten kalt. „Wir setzen uns mit Hayes Manager nur an einen Tisch, wenn er mal die Realitäten anerkennt. Der spricht immer von Verhandlungen auf Augenhöhe“, sagt Bönte majestätisch amüsiert. „So ist das kein Thema.“ Ohnehin sei Haye nach seinem enttäuschenden Auftritt in Hamburg verbrannt. „Cry Baby“ nannten ihn die britischen Medien. Heulsuse. „Boxen ist für Gentlemen“, sagt Wladimir. „Er hat einen Zirkus daraus gemacht.“ Ein Zirkus, der Wladimir viel Geld eingebracht hat.
Nach dem Kampf saßen Bönte, Klitschko und Klitschko mit George Foreman zusammen, dem Box-Opa. „Der fürchtet, dass Vitali ihm seinen Rekord nimmt“, sagt Bönte. Mit 45 Jahren war Foreman noch Weltmeister. „Boxt, solange ihr könnt“, habe er zu den Klitschkos gesagt. „Es ist ein großartiges Gefühl, Champion zu sein.“ Aber das wussten die beiden bereits.