Konflikt Ein türkisch-kurdisches Fußball-Chaos
Erftstadt · Der politische Konflikt dringt durch: Spielabbruch in der Kreisliga C vor 700 Zuschauern.
Schon vor dem Spiel riefen die Vereine in sozialen Netzwerken zu Fairness auf. Allen schien klar gewesen, dass die Situation zum Zeitpunkt des politischen Konflikts zwischen der Türkei und den Kurden selbst hier im Rheinland, in der Kreisliga C, eine besondere war. Und doch ist das Spiel zwischen der rein türkischen ersten Mannschaft der SG Erfttal (auch bekannt als Anadolu 98) und dem kurdischen Team von KSV Mesopotamia aus Grevenbroich am Donnerstagabend aus den Fugen geraten.
Absehbar? „Wir hatten eine Hundertschaft der Polizei hier, dazu 700 Zuschauer, die ´kamen selbst aus Duisburg“, sagte gestern Heinz Hübinger, Offizieller der SG Erfttal. Hübinger schreibt vor allem den Zuschauern und weniger den Spielern die aufgeheizte Atmosphäre zu. Hätte man nicht besser von vornherein abgesagt? „Im Hinspiel gab es nicht mal eine Gelbe Karte. Und jetzt war in der ersten Halbzeit auch alles ruhig“, erzählt Hübinger. Eine Absage sei nicht diskutiert worden. Zu früh will niemand kapitulieren. „Dann müssen wir das doch gar nicht mehr machen“, sagt er halb kämpferisch, halb resigniert.
Denn das Spiel wurde nach 60 Minuten abgebrochen: Nach dem Tor zum 3:0 für Erfttal in einer nach der Pause aufgeheizten Atmosphäre salutierte der türkische Torschütze nach Vorbild der türkischen Nationalspieler jüngst in der EM-Qualifikation. Vor den Augen des Schiedsrichters. Der pfiff zwar trotzdem wieder an. Als sich die Geste aber unter Zuschauern und Gegnern herumgesprochen hatte, ging das Mesopotamia-Team geschlossen vom Platz. Die anwesende Hundertschaft der Polizei verhinderte danach Schlimmeres, als die Zuschauer den Platz stürmten und tätliche Auseinandersetzungen drohten.
Der Fußballverband Niederrhein hat inzwischen reagiert
„Die große Politik im kleinen Fußball. Das ist das Problem“, sagte gestern Henrik Lerch, Pressesprecher des Fußballverbands Niederrhein zu den Vorkommnissen. Der Schiedsrichter verfasst derzeit noch einen Sonderbericht, das Spiel wird vor dem Kreissportgericht landen. Der Kreisvorsitzende und Kreisgeschäftsführer des Fußball-Kreises Grevenbroich-Neuss waren als Augenzeugen eigens zur Anlage gekommen, um das Duell zu verfolgen.
Der Fußballverband Niederrhein hat gestern reagiert und alle 13 Fußballkreise auf weitere Spiele mit solchem Konfliktpotenzial abgeprüft. Es wird gemahnt und sensibilisiert, sollten die Bedenken zu groß werden, sollen Spiele verlegt werden, sagt Lerch. Alle werden darauf aufmerksam gemacht, dass das Salutieren nicht erwünscht sei. Die SG Erfttal reagierten gestern via Facebook auf das Geschehen: „Wir als Anadolu möchten Fußball spielen und diese Plattform nicht für politische Auseinandersetzungen anbieten. Heutzutage kann man für eine Demo sich bei der Polizei anmelden und auf die Straße gehen und nicht auf den Fußballplatz“, hieß es dort. Zuvor war das Spiel in Erftstadt als „Topspiel“ angekündigt worden.
Einen kurdischen Fußballverein in Deutschland gibt es in NRW mit dem SV Mesopotamia auch noch in Essen. Zwischen 600 000 und 1,2 Millionen Kurden leben in Deutschland. Da die Ethnie hier nicht erfasst wird und Kurden keine eigene Nationalität haben, leben sie gemäß ihrer Staatsbürgerschaft als Türken, Iraker, Iraner oder Syrer.