Verletzter Kotschnew: Für Hamburg auf Geld verzichtet
Hamburg (dpa) - Krücken statt Schläger, Reha statt Titelkampf: Der am Dienstag erfolgreich operierte Eishockey-Nationaltorhüter Dimitrij Kotschnew ist ausgerechnet in der entscheidenden Saisonphase zur Tatenlosigkeit verdammt.
„Ich hätte der Mannschaft gerne geholfen“, betont der erfahrene Keeper frustriert. Er verletzte sich zur Unzeit, denn Kotschnew verpasst nicht nur das Duell seiner Hamburg Freezers im DEL-Viertelfinale mit den Eisbären Berlin. Auch die WM im Mai in Finnland und Schweden läuft ohne ihn ab. Bitter für Kotschnew, der sich in Hamburg wohlfühlt und deshalb sogar auf viel Geld verzichtet.
„So eine schwere Verletzung zu so einem wichtigen Zeitpunkt ist extrem bitter für mich“, bedauert Patient Kotschnew, bei dem ein Riss des vorderen Kreuz- und Innenbandes im linken Knie geflickt wurde. Die Verletzung hatte er sich Anfang März gegen Köln zugezogen. Am Freitag wird er in Hamburg zurückerwartet und seine Rehabilitation fortsetzen. Doch in den nächsten Monaten bleibt dem Deutsch-Russen nichts anderes übrig, als den Teamkollegen, vor allem seinem jungen Stellvertreter Niklas Treutle (21), die Daumen zu drücken.
Dass es ausgerechnet Kotschnew erwischte, hat auch die Hamburger Eishockey-Fans geschockt. Denn sie haben den Goalie bereits in dessen erster Saison für die Freezers ins Herz geschlossen. Der Hauptgrund: Im Gegensatz zu vielen anderen Profis ist er niemand, der immer nur dem Geld folgt. Der 31-Jährige schlug kürzlich ein Millionen-Angebot aus der russischen Profiliga aus und verlängerte dafür seinen Vertrag in der Hansestadt bis 2015 - wo er nur einen Bruchteil verdient.
„Natürlich hat man niemals genug Geld verdient. Aber es war eine Entscheidung für Hamburg“, sagte der Nationaltorhüter, der schon für diverse Clubs gespielt hat. Zu häufig musste er deshalb in seinem Sportlerleben schon umziehen, zu lange war er von der hier lebenden Freundin Johanna getrennt: „Hamburg ist mein Lebensmittelpunkt.“
Im Jahr 2000 kam der damalige Gymnasiast zu den Hamburg Crocodiles in die Oberliga. Das Talent des mit 1,84 Meter eher kleinen Torhüters blieb nicht unentdeckt. Nach einem Jahr wechselte er zu den Iserlohn Roosters, später zu den Nürnberg Ice Tigers. 2008 dann der Wechsel in die Kontinentale Hockey Liga zu HK Spartak Moskau. Die russische Liga ist laut Kotschnew die mit Abstand stärkste in Europa. „Wo das meiste Geld ist, sind eben auch die besten Sportler.“ Die Teams dort seien taktisch versierter, das öffentliche Interesse sei größer. „Im Sommer war Fußball die Sportart Nummer 1, im Winter war es Eishockey.“
2011 ging er von Lokomotive Jaroslawl zu Atlant Mytischtschi. Hätte der Wechsel nicht stattgefunden, wäre er heute womöglich nicht mehr am Leben. Im September 2011 flogen seine Ex-Mannschaftskameraden zum Meisterschaftsspiel nach Minsk - und kamen bei einem Absturz ums Leben. „Es war die erste Auswärtsfahrt nach meinem Weggang“, sagt er nachdenklich. „Natürlich beschäftigt es einen, dass auch ich in der Maschine hätte sitzen können. Aber noch viel mehr, dass 25 Menschen, mit denen ich Tag und Nacht verbracht habe, nicht mehr unter uns weilen.“ Er spricht klar und sachlich von den Geschehnissen. Und doch ist seinen Augen anzusehen, dass der Schmerz immer noch tief sitzt.
Die Stimmung ändert sich, als wieder über Eishockey geredet wird. Über den Sport, den er seit fast 25 Jahren liebt. Für andere Menschen mag es unvorstellbar sein, sich einem harten und bis zu 170 km/h schnellem Puck in den Weg zu stellen. Für Kotschnew aber ist das inzwischen Alltag: „Es kann schon mal wehtun. Aber unsere Ausrüstung ist dafür gemacht. Meine Mitspieler müssen auch manchmal einen Schlag abblocken und sind viel weniger geschützt. Die sind ärmer dran.“ Irgendwann in der kommenden Saison will auch er wieder angreifen.