Für WM-Gastgeber Russland zählt nur Gold
Moskau (dpa) - Endlich fliegt der Puck. Sehnsüchtig hat Russlands Sportwelt auf diese Eishockey-Weltmeisterschaft im eigenen Land gewartet - die auch Abwechslung bringen soll von der Wirtschaftskrise und einer quälenden Diskussion um gedopte Athleten.
Wenn Regierungschef Dmitri Medwedew am Freitag das Turnier eröffnet, starten die Gastgeber auch eine „Mission Revanche“. Die Sbornaja will Rache nehmen für das 1:6 gegen Erzrivale Kanada im WM-Finale 2015 in Prag - am liebsten im Endspiel am 22. Mai in Moskau.
Doch die Stimmung im Team von Trainer Oleg Snarok ist angespannt. Für Wirbel sorgt vor allem die Flucht von Alexander Radulow vor wenigen Tagen: Statt zum Treffen der Nationalmannschaft flog der Stürmerstar von ZSKA Moskau eigenmächtig in die USA, um über seine mögliche Rückkehr in die Profiliga NHL zu verhandeln. Während Radulow begnadigt wurde, bleibt Ilja Kowaltschuk suspendiert. Der Profi von SKA St. Petersburg hatte nach dem Aus in den Playoffs der Kontinentalen Hockey-Liga (KHL) die Clubführung kritisiert.
Zu allem Überfluss berichten Medien auch noch über einen angeblich schleppenden Ticketverkauf vor der WM. Doch trotz aller Widrigkeiten: Russland - und vor allem Präsident Wladimir Putin - erwartet von der Sbornaja nichts anderes als Gold. Mit dem Weltmeistertitel im Nationalsport Nummer eins soll auch die Schmach von Sotschi 2014 getilgt werden. Damals schied Russland bei den Olympischen Winterspielen in der Heimat am Schwarzen Meer bereits im Viertelfinale nach einem 1:3 gegen abgebrühte Finnen aus. „Verlieren verboten“ lautet daher das Motto für Snarok, der seit seiner Zeit beim Heilbronner EC (2001) einen deutschen Pass besitzt.
Der niedrige Ölpreis und die westlichen Sanktionen wegen des Ukraine-Konflikts machen Russlands Wirtschaft stark zu schaffen. Dennoch kleckert der Gastgeber der 80. Eishockey-WM nicht. Für den Turnierteil, der in Moskau ausgetragen wird, steht im Süden der Hauptstadt der neugebaute VTB Eispalast mit rund 12 000 Plätzen. Namensgeber ist Russlands zweitgrößte Bank VTB, und das zeigt bereits die enge Verzahnung von Sport, Wirtschaft und Politik in Russland.
Beim jüngsten KHL-Finale zwischen ZSKA Moskau und Magnitogorsk (3:4) saß Putins Verwaltungschef Sergej Iwanow auf der Ehrentribüne neben dem Präsidenten der Internationalen Eishockey-Föderation, René Fasel. Eine Reihe weiter: der Putin-Vertraute und Chef von Russlands größtem Ölkonzern Rosneft, Igor Setschin, sowie diverse Oligarchen.
Ohne die Millionen des vom Kreml kontrollierten Energieriesen Gazprom wäre die KHL, die sich als Konkurrent der nordamerikanischen Profiliga NHL sieht, schnell geschrumpft. Die Verflechtung von Sport und Politik ist in Russland selten so spürbar wie im Eishockey.
Bevor Putin in zwei Jahren die Welt zur Fußball-WM in Russland empfängt, soll das Eishockey-Turnier dem Riesenreich Glanz verleihen. Berichte über Doping kratzen massiv am Image der Sportgroßmacht. So droht Russlands Leichtathleten wegen der Einnahme verbotener Substanzen eine Sperre bei den Olympischen Spielen im August in Rio de Janeiro. Zur Nachwuchs-Eishockey-WM in den USA musste Russland vor kurzem seine U17-Spieler schicken, weil bei vielen Akteuren der U18-Mannschaft das Dopingpräparat Meldonium festgestellt worden war.
Putin will mehrere Spiele der Eishockey-WM besuchen und dabei auch nach St. Petersburg kommen, dem zweiten Veranstaltungsort des Turniers. In der ehemaligen Zarenstadt trägt die deutsche Mannschaft ihre Vorrundenspiele aus - aber das ist für den Präsidenten wohl nicht entscheidend: St. Petersburg ist Putins Heimatstadt.